themenläden und andere Clubs
Gutes und schlechtes Ausgehen in und mit TV-Serien
: Vanilla Sky

Der Frühling kam zu früh und traf uns Ende Januar völlig unvorbereitet. Jetzt aber jagen Orkane und Graupelschauer über Kreuzberg. Ein Wechselbad der Gefühle! Warum also ausgehen, wenn’s zu Hause gemütlicher ist?

Die völlig überflüssigen Olympischen Winterspiele sind gottlob vorbei, ins Fernsehprogramm ist die lang ersehnte Normalität eingekehrt. Statt Menschen, die mit Gewehren im Schnee robben oder in zu engen Anzügen übers Eis hetzen, kommen endlich die Serien wieder. Sie erst geben den trüben Wintertagen Sinn und Form.

Bis 17.30 Uhr muss man sich noch irgendwie selbst beschäftigen, bis man den Fernseher einschalten kann: Lange schlafen, ewig Kaffee trinken, vielleicht einen kleinen Einkauf tätigen, Zeitung lesen.

Dann beginnt das Boulevardmagazin „Brisant“, gefolgt von „Verbotene Liebe“ und „Marienhof“. Nach einer kleinen Vesperpause informiert auf RTL „Explosiv“ und dann im Dritten die „Abendschau“. 19.40 wieder zu RTL, „GZSZ“ ruft. Dann ist es 20.15 Uhr und irgendein Film läuft immer irgendwo. Gegen halb elf „Tagesthemen“ oder Stefan Raab, und zum Schluss Harald Schmidt oder ein Spätfilm.

Nun höre ich schon Stimmen, die sagen: Das ist doch kein Leben, man muss doch raus! In die tollen Clubs unserer glitzernden Metropole, die niemals schläft? Nun, das Nachtleben findet doch überall statt. Denn wozu durch das nasskalte Berlin irren, wenn in den Serien doch so bequem mitgelebt und mitausgegangen werden kann?

In „Verbotene Liebe“ zum Beispiel treffen sich Geschäftsleute und Manager gerne im „Schneiders“, dem Edelbistro-Restaurant der männersuchenden Wirtin Charly Schneider. Wem das zu steif ist, geht ins „No Limits“, wo es, seit Jule den Tod ihres Kindes verkraftet hat, auch wieder lustiger zugeht. Die Tresencrew ist fast ein Kollektiv, und es läuft oft Blumfeld oder Robbie Williams. Man frühstückt lange und trinkt Cocktails. Noch größer ist das gastronomische Angebot im Marienhof, wo im „Wilden Mann“ gutbürgerliche und italienische Gerichte serviert werden Die WG trifft sich zum Billard und das burleske Treiben der italienischen Wirtsfamilie Maldini sorgt immer für Unterhaltung. Zum Tanzen geht’s dann ins „Foxy“. Dort finden meist Achtzigerjahrepartys statt, wenn nicht gerade Serienhelden selbstverfasste Liebeslieder vorsingen, um eine Liebe zu gewinnen oder ein kaputte Beziehung zu retten. Manchmal proben auf der kleinen Tanzfläche auch Dance-Acts für die große Japantournee. Grundsätzlich beschließt die weibliche Hauptfigur nach etwa zwanzig Proben im Marienhof zu bleiben, weil Liebe wichtiger als Karriere ist.

Mehr passiert doch im WMF auch nicht, sind wir doch mal ehrlich! Auch in „GZSZ“ fährt man die gastronomische Doppelschiene Edelrestaurant-Szenelocation. Im „Fasan“, dem Feinschmeckerlokal des windigen Rechtsanwalts Dr. Gerner, werden Intrigen gesponnen, Hochzeiten gefeiert oder Benefizveranstaltungen für Alphabetisierungvereine abgehalten. Die Jugend hingegen trifft sich im „Daniels“, dort geht es lockerer zu.

Am wenigsten interessant ist das Ausgehen in der Lindenstraße. Der ewige Hangout „Akropolis“ hat seit Jahren nichts Neues zu bieten, sieht man mal ab von dem Auftritt der Lemonbabies im letzten Jahr. Auch das „Café Bayer“ und Olaf Klings Wurstimbiss sind keine echten Szenetreffs. Aber was erwartet man, in den Serien ist alles wie im richtigen Leben: Die Lindenstraße spielt schließlich in München!

Grundsätzlich ist das Ausgehen in den Serien mindestens genauso ergiebig wie das in Berlin. Außerdem spart man am Geld für Getränke und Taxis und Lebensenergie. Und wenn es dann draußen freundlicher wird, kann man immer noch in die Z-Bar, ins Bad Kleinen oder ins San Remo gehen. CHRISTIANE RÖSINGER