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zwischen den rillenIst es Liebe? Was Lambchop so einzigartig macht

Ökonomie der Pause

Kürzlich lehnte sich der Musikjournalist Karl Bruckmaier bedenklich weit aus dem Fenster seiner Süddeutschen Zeitung, als er schrieb, dass das neue Album von Lambchop „vermutlich eine der zehn besten Platten sei, die jemals gemacht worden ist“. Holla.

Das muss man erst mal so hinschreiben. Um dann nebensätzlich zu erwähnen, dass Lambchop-Chef Kurt Wagner bis vor kurzem noch als Bodenleger gearbeitet hat. Wir sehen ihn noch vor uns, wie er auf allen vieren Linoleum verlegt, die Kippe im Mundwinkel – anstatt sich endlich einen Ruck zu geben und eine der zehn besten Platten zu machen, die jemals gemacht worden sind. Nun sind „jemals“ so viele Platten erschienen, dass man trockenen Fußes von München nach Nashville spazieren könnte, wenn man sie alle im Atlantik versenkte. Woran rührt diese Musik, dass selbst mit allen Wassern von Babylon gewaschene Feuilletonisten ernsthaft wieder Top-Ten-Listen bemühen, die sie vielleicht als Pennäler geführt haben? Was also hat „Is A Woman“, was die anderen nicht haben?

Womöglich weniger. Weniger von allem jedenfalls, was im Pop gerade en vogue ist und Aufmerksamkeit erregt. Kein Auftrumpfen, keine Eitelkeiten, keine Anspielungen. Kein angestrengter Rekurs auf Vergangenes, keine visionäre Konstruktion von Kommendem. Sondern schlichte Songs, die dann so schlicht doch nicht sind.

Lambchop ist ein recht kryptisches Kollektiv, ausgerechnet aus Nashville. Kryptisch, weil die schwankende Zahl nebenberuflicher Musikanten um Kurt Wagner hauptberuflich Trucks steuern oder bei McDonald’s Cheeseburger verkaufen. Ausgerechnet, weil diese Band aus Malochern gar nicht in den schillernden Countryzirkus von Nashville passt. Authentizität, wir hörn dir trapsen.

Für „Is A Woman“ hat Kurt Wagner den zuletzt opulent-souligen Sound der Gruppe drastisch entschlackt. Wo etwa auf Platten wie „Nixon“ wuchtige Bläser Akzente setzten, da seufzen nun verhaltene Slidegitarren. Und wo auf „What Another Man Spills“ noch Streicher lullten, da schlendert nun ein entspannt getupftes Piano. Selbst das Schlagzeug liefert diesmal keinen hitzigen Groove, sondern wird – wenn überhaupt – mit dem Besen sanft gestreichelt. Es ist ihr sechstes Album, nach anderer Zählung bereits ihr siebtes: Als sie jüngst Vic Chesnutt, den seelenverwandten Orpheus des Americana, auf dessen Album „Salesman And Bernadette“ unterstützten, da klang das wie Lambchop – nur ohne Wagners Stimme.

Stimme und Text stehen hier im Vordergrund. Wagner raunt und räuspert und quietscht, was seine unsportlichen Stimmbänder hergeben, immer mit den Lippen am Mikro, ein abenteuerlich phrasiertes Flüstern, ganz nah am Ohr: „Thought I felt a chill …“ Warm klingt das und brüchig, wie auch die Poesie den Mut zur Lücke hat: „It’s an emotiona-“, singt Wagner, bricht ab – das Klavier tröpfelt, der Bass kreist, die Gedanken kreisen mit, ein Takt, zwei Takte, die Zeit selbst verschluckt sich –, und dann: „-lly challenge.“

Ein eigentümlicher Reiz dieser Musik liegt in ihren Pausen, in der Ökonomie aus Klang und Stille, darin, anklingende Bögen zu Ende zu denken und sich einzuhören in diese vermeintliche Lautlosigkeit – um schließlich zu entdecken, dass in den akustischen Tiefen reges Treiben herrscht. Das knappe Kratzen des Plektrons auf den Saiten, das asthmatische Knarzen des Flügels, das leise Schmatzen Wagners, wenn er wieder den Mund aufmacht – das alles ist so sympathisch und zauberhaft wie der feine Staub, der morgens beim Frühstück manchmal ruhig im einfallenden Sonnenlicht steht. Für Lambchop kann man sich getrost zu weit aus dem Fenster lehnen. Wer fällt, fällt weich.

ARNO FRANK

Lambchop: „Is A Woman“. (Labels)

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