Der teure Weg zum Bahn-VIP

Eigentlich selbstverständlichen Dienst am Kunden verkauft die Bahn AG jetzt exklusiv an Vielreisende. Die bahn.comfort-Card erhält, wer jährlich für über 2.000 Euro fährt

FRANKFURT taz ■ Sie wollen einen Sitzplatz im ICE? Sie erwarten, dass sie an den Schaltern der Bahn AG nach nur kurzen Wartezeiten kompetent beraten werden? Sie kommen aus der Provinz mit dem Auto zum Bahnhof und brauchen einen Parkplatz? Was eigentlich für ein serviceorientiertes Unternehmen selbstverständlich ist, verkauft die Bahn AG nun extra.

Dass die Kundschaft „unzufrieden mit den Leistungen der Bahn beim Service“ ist, hat die Bahn AG jetzt selbst herausgefunden; im Rahmen einer Umfrage unter Vielreisenden. Das gestern in der DB-Lougne im Hauptbahnhof von Frankfurt am Main vorgestellte „Kundenanbindungsprogramm“ mit dem schönen Namen „bahn.comfort“ soll jetzt wenigstens den treuesten Kunden der Bahn den Service bieten, der in Zügen etwa in den USA oder in Japan längst usus ist. Der Punkt in bahn.comfort ist auch schon das Programm. Denn für jeden Euro, den der Inhaber einer normalen Bahncard innerhalb eines Jahres für Bahnfahrkarten ausgibt, bekommt er zukünftig einen Punkt auf einem Sonderkonto gut geschrieben. Wer also fleißig Bahn fährt und über 2.000 Punkte sammelt, erhält dann automatisch die bahn.comfort-Card, wenn er für das Jahr darauf eine neue Bahncard ordert. Mit der kann er dann wieder Punkte sammeln: für die bahn.comfort-Card im Jahr darauf.

Los damit geht es schon am 15. April. Doch weil das Jahr dann bereits mehr als vier Monate alt ist, brauchen 2002 nur 1.000 Punkte gesammelt zu werden; ein Schnäppchen also. Wer für mehr als 1.000 Euro Bahn fährt, bekommt ab 15. Dezember die bahn.comfort-Card, die einen sozusagen zum VIP der Bahn macht. Plätze auch in stark frequentierten Langstreckenzügen werden dann ausschließlich für die Inhaber der bahn.comfort-Card bereitgehalten. In den Tiefgaragen der Hauptbahnhöfe sind für bahn.comfort-Cardler Parkplätze reserviert. Sie haben „unbeschränkten Zutritt zu allen DB-Lounges der 1.Klasse“. Außerdem gibt es eine Hotline nur für die neuen VIPs; und an extra eingerichteten Countern in den Reisezentren „kompetente Beratung ohne lange Wartezeiten“. Automatisch qualifiziert für die bahn.comfort-Card sind alle Inhaber einer NetzCard und Pendler mit einer Jahreskarte, die mehr als 2.000 Euro kostet.

Mit dem neuen Servicepaket würden „unsere besten Kunden für ihre Treue belohnt“, sagte Hans G. Koch, Vorstandsmitglied der Bahn AG für Marketing und Vertrieb. Draußen in der Wirklichkeit gab es dann allerdings wieder Bahnalltag pur: Die S-Bahn zum Westbahnhof fuhr zehn Minuten später; dafür stand sie dann zehn Minuten im Bahnhof Messe.

„Planmäßig“ wird es dagegen auf der Strecke Berlin–Hamburg ab sofort häufiger zu Verspätungen kommen. Wegen Modernisierung ist ein Teil der Strecke von Sonntag an nur eingleisig befahrbar, erklärte gestern ein Bahnsprecher. Nach dem Ausbau der Strecke ist die Fahrzeit ab Ende 2004 aber nur noch etwaeineinhalb Stunden lang – 50 Minuten weniger als derzeit.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT