Allein gegen alle

Italiens Justizminister polemisiert gegen neue EU-Beschlüsse und bezichtigt Däubler-Gmelin der Lüge

ROM taz ■ Einmütig und mit der Zustimmung Italiens haben die Innen- und Justizminister der EU am Donnerstag eine Durchführungsbestimmung zum Europäischen Haftbefehl verabschiedet: In Zukunft können die Staatsanwälte eines Mitgliedslandes unionsweit die Vermögen von Verdächtigen einfrieren lassen. Doch schon auf der anschließenden Pressekonferenz machte Italiens Justizminister Roberto Castelli klar, dass sein Ja eigentlich ein Nein war. Mit dem grünen Tüchlein der Lega Nord in der Brusttasche polterte er los, er habe nur vorbehaltlich der Zustimmung des italienischen Parlaments sein Plazet gegeben; dort aber werde die Lega selbstverständlich mit Nein stimmen, da ihr die ganze „superzentralistische Philosophie“ der EU nicht passe. Zugestimmt habe er nur, um zu vermeiden, dass Italien wie schon beim Europäischen Haftbefehl „allein gegen 14 dasteht“.

Zuvor war Castelli bei seinen europäischen Kollegen mit einem Änderungsantrag gescheitert, der das mögliche Einfrieren von Vermögen unter Vorbehalt stellte; danach hätte der jeweils betroffene Staat ein Veto einlegen können, wenn „wesentliche Interessen“ betroffen seien. Seine deutsche Kollegin Hertha Däubler-Gmelin hatte dieses Ansinnen mit ungewöhnlicher Schärfe zurückgewiesen: „Zum zweiten Mal drängt sich der Verdacht auf, dass persönliche Überlegungen des Regierungschefs Italiens Position beeinflussen“, spielte sie offen auf Berlusconis Probleme mit der Justiz an und musste es sich ihrerseits gefallen lassen, von Castelli als Lügnerin bezeichnet zu werden, die „unakzeptable Unterstellungen“ verbreite.

Doch Castellis Motive erschöpfen sich nicht in Treue zum Ministerpräsidenten; ihm ging es auch um die Dauerkampagne der Lega Nord gegen die EU. Lega-Chef Umberto Bossi rief gestern die „Völker, die nicht sterben wollen“, zur Mobilisierung gegen Brüssels Übermacht auf, gegen das „Europa der Säuberungen“, gegen die von der Linken erstrebte „Sowjetunion des Westens“: „Beseitigt werden die natürlichen, an die Volkssouveränität und die Demokratie gekoppelten Rechte; dafür entstehen neue Rechte: die Pädophilie, die horizontale Familie, das Recht auf Einwanderung“. Der Gipfel für die Lega Nord wäre es, wenn – so wiederum Castelli – Rassismus und Fremdenfeindlichkeit europaweit verfolgt werden könnten. Es gehe nicht an, dass ein Staatsanwalt „überall jemanden mit der Anschuldigung verhaften kann, er sei von der Überlegenheit der eigenen Rasse überzeugt“. MICHAEL BRAUN