Hüfte zum Festpreis

Bundesrat winkt Gesetz zur Bezahlung in Krankenhäusern durch. Kassen glücklich, Krankenhäuser und Ärzte nicht

BERLIN taz ■ Im zweiten Anlauf hat es das Fallpauschalengesetz von Ulla Schmidt (SPD) gestern durch den Bundesrat geschafft. Im Vermittlungsverfahren zwischen Bundestag und Bunderat hatte die Gesundheitsministerin den Bundesländern Zugeständnisse machen müssen. Ohne allzu große Abstriche hat sie nun jedoch die „größte Krankenhausreform aller Zeiten“ (O-Ton Schmidt) durch die Gesetzgebung geschleust.

Das Gesetz sieht vor, dass frühestens 2003, spätestens 2007 fast jede Behandlung im Krankenhaus nach einem festen Satz bezahlt wird: Für die Durchschnitts-Darmentzündung soll es dann eine ebensolche Pauschale geben wie bislang schon für den Durchschnitts-Herzschrittmacher. DRGs, Diagnosis Related Groups, heißen diese Sätze.

Die bislang herrschende Vergütung nach Verweildauer wird dafür abgeschafft: Wie lange der Patient im Krankenhaus bleibt, spielt dann keine Rolle mehr. Deutsche liegen bisher besonders lange im Krankenhaus: Zwar sinken auch hierzulande die Zahlen, doch auch im Jahr 2000 blieb ein Patient in Deutschland durchschnittlich 9,6 Tage liegen, in Frankreich oder Österreich dagegen weniger als 6 Tage.

Von dem DRG-System verspricht sich die Regierung eine Verkürzung der Liegezeiten und damit eine Einsparung von rund 1,5 Milliarden Euro im Jahr. Insgesamt beträgt der Anteil der Krankenhauskosten bei den Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung fast 45 Milliarden Mark beziehungsweise fast die Hälfte der Gesamtausgaben.

Die Krankenkassen waren zufrieden. Ingo Kailuweit, Chef der Kaufmännischen Krankenkasse KKH, sagte zur taz: „Das Ergebnis ist als Weichenstellung absolut richtig und wichtig. Auch wenn in Zukunft einige unwirtschaftlich arbeitende Krankenhäuser weiterhin am Tropf der Kassen bleiben werden.“

Geteilt war die Freude bei Ärzten und Krankenhäusern. „Grundsätzlich begrüßen wir, dass die Häuser, die schon Investitionen in die DRG-Einführung gemacht haben, nun Rechtssicherheit bekommen“, erklärte der Sprecher der Deutschen Krankenhaus-Gesellschaft, Andreas Priefler, der taz. „Trotzdem fühlen wir uns verschaukelt.“ Einerseits schaffe das DRG-System zwar Einheitlichkeit und damit die versprochene Transparenz bei der Abrechnung der Behandlungskosten. Andererseits sei mit dem Gesetz auch eine Budgetierung eingeführt worden. Es wird nur eine bestimmte Anzahl von Fällen honoriert. Wenn eine Klinik mit der Kasse verabredet, 1.000 Hüften im Jahr nach DRG-Preisen zu operieren, wird die 1001. Hüfte nicht mehr bezahlt. „Im Extremfall“, sagte Priefler, „drohen damit Wartelisten.“

Noch schärfere Kritik kam gestern vom Marburger Bund, der die Klinikärzte vertritt. Der Vorsitzende Frank Ulrich Montgomery erklärte, das Gesetz werde die berüchtigte Arbeitsbelastung der Ärzte weiter verschärfen, weil die Kliniken versuchen, die vereinbarten Fallzahlen in die Höhe zu treiben. Er sprach von einem „gigantischen Menschenversuch“ an den jährlich 16,5 Millionen Patienten in Krankenhäusern. ULRIKE WINKELMANN

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