Ein Performer wie Heino

Alle Publikumsreaktionen sind gut, auch Bierkrügeschmeißen: Taylor Savvy belebt die exilkanadische Szene in Berlin und hat hier in wenigen Monaten mehr erreicht als in seinem ganzen Leben zuvor in seiner Heimat: Er hat eine Platte herausgebracht

von ANDREAS HARTMANN

Bei genauerer Betrachtung macht es sogar Sinn, sich mit Taylor Savvy ausgerechnet in der wohl selten von Popstars frequentierten Cafeteria des SEZ zu treffen, des Sport- und Erholungszentrums in Friedrichshain. Entspricht der dort gewährte Blick auf Speckgürtel abkraulende Rentner und johlende Wasserrutschenrutscher doch ganz der künstlerischen Vorstellung Taylor Savvys, dass man auch vom noch so Banalsten gut unterhalten werden kann. Und im direkten Vergleich mit den immer gleichen Milchkaffeeschlürfergesichtern in trostlosen Mitte-Stelldicheins kommt die Kulisse mit dem bunten Badespaßvergnügen wirklich gar nicht so schlecht weg.

Taylor Savvy ist schon wieder einer aus der Abteilung der Exilkanadier in Berlin, aus der bisher zwei Kandidaten für viel Aufregung gesorgt haben. Peaches und Gonzales sind das Traumpaar des aggressiven DIY-Alleskönnertums, auf Platte so facettenreich wie in ihren immer wieder erfrischend exaltierten Bühnenperformances. Für den Ruf Berlins als Pop-Hauptstadt haben sie mehr getan als alle anderen Berliner Acts zusammen.

Taylor Savvy kennt die beiden Ausgewanderten schon länger. Von Kanada aus hat er deren Werdegang mit einigem Erstaunen verfolgt. Eines Tages dachte er sich, dass Berlin auch für ihn was sein könnte. „Ich mache in Berlin dasselbe wie in Kanada. Nur werde ich hier viel mehr beachtet. Für mich gab es einfach keine andere Möglichkeit als wegzuziehen“, meint er.

Der Erfolg gibt ihm Recht: Mit seinem ersten Album „Ladies&Gentleman“ hat er in Sachen Musik nach ein paar Monaten Berlin bereits mehr erreicht als in seinem ganzen Leben in Kanada.

Taylor Savvy ist ein dezenter Glamourboy mit guten Manieren. Er ist fast überhöflich, ein geduldiger Fragenbeantworter, und nicht nur an sich selbst, sondern auch am Gesprächspartner interessiert. Wenn man ihm von gewissen Problemen beim Hören seines Albums berichtet, das sich stilistisch in allzu viele Richtungen erstreckt, und wenn man ihn fragt, ob genau das auch intendiert sei, sagt Savvy einfach nur: „Nein!“, und lacht dazu hemmungslos. „Es liegt aber an dir, wie es dir mit der Platte geht, ich kann das nicht beeinflussen.“

Von Popmusikern ist man gewöhnt, dass sie indigniert auf Kritik reagieren – Savvy dagegen bleibt sympathisch locker. Dabei zielt die Kritik an seinem Stilmix tief. Denn irritieren möchte er eigentlich nicht.

Bevorzugt will Savvy unterhalten. Den Versuch aber, die Oberflächlichkeit des Mainstreampops unter den Bedingungen des Undergrounds zu reproduzieren, aus beiden Welten sozusagen das Beste für ein neues Ganzes herauszufiltern, muss man wohl eher als misslungen bezeichnen.

Savvy wollte einen „Broadway- oder Las-Vegas-Style“ mit wenig Geld erzeugen. Doch trotz der obligatorischen Gastauftritte von Gonzales, Peaches oder dem Peaches-Clon Mignon: Hits klingen anders.

Andererseits erscheint die Platte ziemlich clever in ihrem überbordenden Eklektizismus, ohne dass an irgendeiner Stelle genau klar wird, wen oder was genau Savvy zwischen Steely Dan und Westbam, Funk und HipHop nun schon wieder herbeizitiert. „Ladies&Gentleman“ ist Konzeptkunst. Alles wirkt extrem designt bis hin zum Plattentitel. Dieser ist an George Michaels letzte „Greatest Hits“-Compilation angelehnt, auf der das Großartige des Mainstreampops zu sich selbst kommt.

Nur dass Savvy im eigenen Plattentitel den Ladys lediglich einen einzelnen Gentleman gegenüberstellt, was völlig andere Konnotationen zulässt als bei George Michael. Dazu kommen bei ihm extrem simple Texte, die dann in der Aussage „Everybody Party“ im gleichnamigen Stück gipfeln. Hier wird beinahe ununterbrochen nichts anderes getan als gesanglich dauernd zu „Everybody Party“ aufgefordert, was in seiner stupiden Konsequenz an den Konzeptkünstler und diesjährigen Turner-Prize-Gewinner Martin Creed erinnert. Creed spielt selbst in einer Band und bestreitet schon mal ganze Songs damit, nichts anderes als „Nothing“ zu singen.

Ein großer deutscher Alleinunterhalter aus dem Politsektor meinte ja einmal, wichtig sei das, was hinten herauskommt. Daran hält sich Taylor Savvy genauso wie Peaches und Gonzales. Die verwendeten Mittel können variieren, Hauptsache ist, dass am Ende Unterhaltung herauskommt, irgendwie. Savvy bewundert David Copperfield, dessen Illusionsspektakel er als Ideal heranzieht. Überraschenderweise verehrt er aber auch einen anderen, sehr deutschen Superstar: „Heino ist ein super Performer, ganz groß. Ich habe jede Menge Platten von ihm. Stell dir die Wirkung von diesem Typen doch einmal außerhalb Deutschlands vor. Die Sonnenbrille, die Frisur, alles ist so lächerlich, so furchtbar, aber immer beste Unterhaltung.“

Was Savvy dementsprechend mit seiner Platte nicht hinbekommt, schafft er unter Bezug auf seine beiden Vorbilder auf der Bühne. Er verspricht den Leuten eine gute Show, und er bietet ihnen eine gute Show. Dafür ist ihm jeder Weg recht: „Ich wechsele meine Kostüme, hole Leute auf die Bühne und betreibe aktive Interaktion mit meinem Publikum. Da ich meist allein zu einem Minidisc-Recorder performe, sind alle schnell irritiert. Aber selbst wenn sie Bierkrüge werfen würden, wäre mir das nur recht, Hauptsache, es passiert etwas.“

Nach dieser Auffassung kann es für ihn auf der Bühne gar nie ein Scheitern geben: Reaktionen gibt es immer. Was als Theorie natürlich die gefährliche „so Scheiße, dass schon wieder gut“-Logik impliziert. Doch bevor man das nun wieder weiterspinnt, ist Entwarnung angesagt: Die Taylor-Savvy-Shows sind tatsächlich richtig gut.

Taylor Savvy: „Ladies & Gentleman“ (Kitty Yo/Efa)