Sozialisten sehen alt aus

Die PDS braucht dringend neue Mitglieder – und will sie bei der Jugend und im Westen gewinnen. Parteichef Stefan Liebich stellt ein Konzept vor, wie gleichzeitig auch noch gespart werden soll

von ROBIN ALEXANDER

Stefan Liebich (29) ist der jüngste Vorsitzende einer Berliner Partei. Genauer: der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS). Das ist bemerkenswert: Der jüngste der Chefs leitet die ältesten der Mitglieder: 65 Jahre ist das Durchschnittsalter der Berliner PDS-Mitglieder.

Daraus ergeben sich unschöne Konsequenzen: Von 78.000 Mitgliedern nach der Wende schrumpfte man auf nur noch 12.000. Grund sind nicht Austrittswellen auf Grund politischer Differenzen, die Ursache ist vielmehr biologisch: Die Genossen sterben. Einer internen Studie zufolge fürchtet die Parteispitze bis 2006 den Verlust von weiteren 3.000 Mitgliedern. Intern bringt ein Mitarbeiter des Vorstands das Problem auf den Nenner: „Unsere Einnahmeverluste werden nicht einmal durch Beitragssteigerung nach Rentenerhöhungen aufgefangen.“

„Aufbau West“ heißt der Plan ironisch, den Liebich am Wochenende auf einem Parteitag vorstellte. Weitere Parteibüros sollen im Westteil der Stadt aufmachen, in Spandau und Neukölln zwei neue Geschäftstellen entstehen. Die andere Seite der Medaille: Im Osten werden Geschäftstellen geschlossen. Die neuen Büros sollen „hell und freundlich werden“, Liebich spricht von „einladenden Schaufenstern“. Die Westberliner Bezirksverbände sollen außerdem finanziell unterstützt werden. In einem Entwurf wird die Finanzordnung der Partei neu geregelt. Wechselseitige Ansprüche von Landesverband und Bezirksverbänden sollen transparenter werden.

Weiterhin hat sich die PDS am Wochenende einen strikten Sparkurs verschrieben. Personal- und Sachausgaben sollen reduziert werden. Außerdem will die Partei ihre Mandats- und Amtsträger zur Kasse bitten: Jeder Sozialist im Abgeordnetenhaus soll künftig mindestens 310 Euro in die Kasse der Landespartei spenden. Bürgermeister sollen mit 615 Euro, Stadträte mit 515 Euro und BVV-Vorsteher mit 240 Euro zur Kasse gebeten werden. Rechtsverbindlich kann so ein Beschluss nicht sein, seine Einhaltung ist nur durch moralischen Druck zu erzwingen. Auch einfache Mitglieder müssen künftig mehr zahlen: Sozialist mit Parteibuch sein kostet in Berlin in Zukunft im Durchschnitt 15 Euro.

Der Parteitag wurde begleitet von Protesten von etwa 50 Mitarbeitern der Getränkefirma Spreequell, die für den Erhalt ihres Werkes in Weißensee demonstrierten. Sie forderten die Solidarität der PDS und griffen auf Plakaten den Spreequell-Mutterkonzern Brau und Brunnen AG an. „Brau und Brunnen wird saniert – Spreequell dabei massakriert“, hieß es dort. Führende PDS-Mitglieder sicherten ihre Unterstützung zu. Die stellvertretende Landesvorsitzende Almuth Nehring-Venus kritisierte, bei der Konzernentscheidung gehe es nicht um betriebswirtschaftliche Gründe. „Hier sollen nur Grundstücke zu Geld gemacht werden – das wollen wir verhindern.“ Am Montag will PDS-Wirtschaftssenator Gregor Gysi mit dem Vorstand der Brau und Brunnen AG über die Zukunft des Mineralwasser-Abfüllers verhandeln. Gysi hatte bereits mit der Rückforderung von Fördergeldern gedroht, weil sich Spreequell verpflichtet habe, die Produktion bis mindestens Mai 2003 in Berlin zu halten.