95 PROZENT DER BÜRGER AFGHANISTANS LEBEN NACH WIE VOR IM KRIEG: Kabul, Disneyland
US-Kommandos führen ein Heer von mehr als tausend afghanischen Kämpfern in die Schlacht gegen mutmaßliche Taliban- und Al-Qaida-Stellungen. Gleichzeitig setzten die US-Streitkräfte 900 Kilogramm schwere Druckbomben ein, bei deren Einsatz ein Überleben ausgeschlossen ist. In das von der Bundesregierung präsentierte Bild, nach dem es seit der Petersberg-Konferenz nur noch um den Wiederaufbau und die friedliche Entwicklung des Landes gehe, passen diese Meldungen nicht. Fakt ist: In Afghanistan herrscht weiterhin Krieg.
Während Bundeswehr und andere Einheiten der internationalen Schutztruppe Isaf in Kabul täglich Journalisten und Parlamentsdelegationen ein Disneyland friedlichen Zusammenlebens präsentieren, wird nicht einmal 100 Kilometer weiter südlich mit unverminderter Härte Krieg geführt. Regie führen dabei auch jene Staaten, die sich in Kabul als Friedensengel feiern lassen. Mit diesem Krieg der Warlords im Rest Afghanistans haben sich die USA und ihre Verbündeten nicht nur abgefunden – sie kaufen ihnen auch noch Anhänger als billige Söldner ab. Damit wird die Zahl der Toten und Verletzten in den eigenen Reihen gering gehalten. Und auch an diese Banalität sei erinnert: Der unfriedliche Rest Afghanistans besteht nicht nur aus Höhlen der Taliban. Mehr als 95 Prozent der Zivilbevölkerung lebt nach wie vor im Krieg.
Die Strategie der USA und ihrer Alliierten ist nicht nur verlogen – sie führt ins Desasters. Die Grenze zwischen den Funktionen der Isaf-Schutztruppe in Kabul und der westlichen Kampftruppen außerhalb der Hauptstadt wird immer mehr verwischt. Wenn die USA und ihre Alliierten sich zunehmend afghanischer Kämpfer bedienen, begeben sie sich direkt in die Machtkämpfe zwischen den Warlords. Es ist zu erwarten, dass Heerführer, die nicht das Glück hatten, von den USA als Verbündete ausgewählt und mit Geld und Waffen ausgerüstet zu werden, versuchen könnten, sich an den Isaf-Truppen in Kabul schadlos zu halten. Ein bisschen Frieden in Kabul, ein bisschen verdeckter Krieg außerhalb der Hauptstadt – das wird nicht lange gut gehen. ERIC CHAUVISTRÉ
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