UN-Staat Nr. 190

Beim zweiten Anlauf in 16 Jahren geht ein Ruck durch die Eidgenossen: Sie stimmen zu, dass die Schweiz den Vereinten Nationen beitritt

GENF taz/epd ■ Nun fehlen vermutlich nur noch Taiwan und der Vatikan im Kreise der Vereinten Nationen. Denn die Schweiz wird als 190. Mitgliedsland der UNO beitreten. Das haben die Eidgenossen gestern mit denkbar knapper Mehrheit entschieden. Landesweit votierten 55 Prozent der Abstimmungsberechtigen dafür und 45 Prozent dagegen. Die ebenfalls erforderliche Mehrheit in den Kantonen wurde nur um Haaresbreite erreicht: 11 Vollkantone und die beiden Halbkantone Basel-Stadt und Basel-Land, also insgesamt 12 Kantone, gaben die notwendigen Ja-Stimmen ab, die restlichen 9 Voll- und 4 Halbkantone sprachen sich dagegen aus.

Die Beteiligung an der Abstimmung lag mit rund 60 Prozent deutlich über dem Durchschnitt von 40 bis 50 Prozent für die Volksabstimmungen der letzten zwölf Jahre. Die französischsprachigen Westschweizer Kantone votierten sämtlich für den UNO-Beitritt. Die größte Mehrheit gab es mit rund 67 Prozent in Genf, wo sich der Europäische Sitz der UNO befindet. Mit Nein stimmte neben 10 deutschschweizer Kantonen auch das italienischsprachige Tessin.

Bei der letzten Abstimmung 1986 hatte die Eidgenossen den UNO-Beitritt ihres Landes noch mit 76 Prozent abgelehnt. Damals hatten auch sämtliche Kantone mit Nein gestimmt.

Die Schweiz ist bereits seit vielen Jahren Mitglied in zahlreichen Sonderorganisationen der UNO und engagiert sich insbesonders bei humanitären Hilfsprogrammen.

Die Gegner um den rechtskonservativen Politiker und Unternehmer Christoph Blocher akzeptierten die Niederlage. Blocher sprach aber von einer Schwächung der Schweiz. Er befürchte außerdem, dass der Beitritt viel Geld koste und die Neutralität der Schweiz „angekratzt“ werde, sagte er. Bundespräsident Kaspar Villiger begrüßte das Ergebnis. Die Schweiz sei nun international besser vertreten. Die UNO sei die einzige Organisation, die die großen Probleme dieser Welt angehen könne. Villiger betonte erneut, ein Beitritt gefährde nicht die Schweizer Neutralität und zwinge das Land auch nicht, an UN-Kriegseinsätzen teilzunehmen. AZU