Vom Paradies in den Plattenbau

■ Adam und Eva in der Gegenwart: „Fast Fut“ im Brauhauskeller

Ein rot pulsierendes Herz aus Licht wummert dumpf durch die Dunkelheit und gibt vor Stückbeginn den Takt an. Um die Liebe wird es gehen. Ein Prolog in klarer Frauenstimme kündigt aus dem Off in mittelalterlich angehauchter Lyrik die Fortsetzung von Adam und Evas Schicksal an: „O Weh des Elendes groß/des Jammers und der schweren Not ...“.

Die beiden sind im Heute angekommen, heißen Andy (Fernfahrer) und Mandy (arbeitslos) – und lieben sich abgöttisch. Das junge Glück ist wie so oft von kurzer Dauer. Am Geld scheitert hier die Liebe. Das Pärchen wohnt in einer wenig paradiesischen Plattenbauwohnung, die Gitti Scherer passend als beengenden und sterilen Wohncontainer in ungemütlichem Neonlicht präsentiert.

Der erfolgreiche, trotzdem relativ unbekannte vogtländische Dramatiker Christian Martin (Jahrgang 1950) hat mit „Fast Fut“ eine Geschichte über die Illusion ewiger Liebe geschrieben. Am Beispiel des Alltags der „kleinen Leute“ Andy und Mandy will er auf allgemeingesellschaftliche Notstände zwischen Mann und Frau aufmerksam machen und hat die Geschichte durch die Adam/Eva-Thematik mit mächtiger Symbolik aufgeladen.

Einem Nahkampf im Mikrokosmos Zweierbeziehung wohnt man hier bei, Tanja Schupnek und Raiko Küster sind auf etwa acht Quadratmetern eingepfercht wie zwei Laborratten im Terrarium. Sie küssen und sie kloppen sich, sind sich nah und doch so fern: Halbe Sätze in angedeutetem Süddeutsch, der lakonische Ton spiegelt die permanente Überforderung der Figuren am Leben und der Liebe wider.

Der junge Christoph Meckel bewährt sich mit seiner ersten Regiearbeit, seine Einfälle sind überzeugend, auch das energetische und stets präsente Duo Schupnek/Küs-ter ist sehenswert. Etwa wenn beide anfangs übermütig improvisierend eine Art phantomimisches „Städteraten“ spielen. Man würde gern zusammen dem Alltagsmief entfliehen, doch wohin? Er macht ihr den Stier, sie rät: Madrid.

Doch wird die Einzimmerbude für Mandy zur Endstation Sehnsucht, der Lover wird sie bald verlassen, um in Russland „Achttausend monatlich plus Auslöse“ zu machen.

Wenn der Abschied naht, Andy nüchtern der hysterischen Freundin vorschlägt: „Tun mir uns halt lieben/auf Vorrat“, wird hektisch rumgeknutscht, die Küsse anschließend in Kulturbeutel und Metalldöschen gesperrt.

Das ist ebenso rührend wie charmant, doch es täuscht nicht darüber hinweg, dass Martins trauerhaftes Kammerspiel nichts wirklich Neues erzählt und im skurrilen zweiten Akt nur noch ein Klischee das nächste jagt: Nachdem Andy in den viel zu fernen Osten abgehauen ist, die beiden alle Jubeljahre telefonieren (Blacks und lautes Uhrentickern markieren den Zeitraffer), rutscht Mandy ab. Das Treffen mit einem Akkordeonspieler, dass Meckel mit Schnulzmusik und Silberflitter passend zu Mandys Sehnsucht nach Romantik schön kitschig überzeichnet, gerät zum Desaster: Sie wird vergewaltigt.

Um anschließend als Prostituierte zu arbeiten – was die Inszenierung im Gegensatz zur Vorlage glücklicherweise nur peripher interessiert –, telefonisch terrorisiert zu werden und schließlich nach einer Liebesnacht mit einem philosophierenden Hausmeister, auch von Raiko Küster dargestellt, als Leiche zu enden.

Ein eigenwillig-schwieriges Stück hat man sich da ausgesucht, dessen Handlung trotz unmittelbarem Gegenwartsbezug einfach merkwürdig kalt wirkt. Wieso es nur „Fast Fut“ heißt, mag man sich fragen? Weil Mandy so schnell zur Hure (Altdeutsch „fut“) verkommt? Oder weil für die hier angedeutete Fast Food Generation Geld alles, Liebe aber nichts bedeuten kann?

Nein, es muss an der Gemeinsamkeit liegen, die es mit Burger, Pommes und Co. hat: nicht ungenießbar, aber zu fett. Und nach einer halben Stunde hat man schon wieder Hunger.

Roland Rödermund

Weitere Vorstellungen gibt es am 8., 9., 16., 17., 20., 22, 23. und 31. März im Brauhauskeller.