Arbeitslose machen Stress

■ Die Arbeitsämter sind in den Schlagzeilen, die Arbeitslosen nach wie vor unzufrieden. Von den bisherigen „Reformen“ halten sie nicht viel

Harald Keller* hat die Schnauze voll. Den Kragen hochgeklappt, den dunklen Anorak fest geschlossen, steht er vorm Arbeitsamt und wartet – auf die Straßenbahn, und auf einen Job. Kellers Urteil über die Arbeitsberater in der Behörde fällt deutlich aus: „Die helfen absolut nicht.“

Seit die Arbeitsämter in den Schlagzeilen sind, bekommen auch die Mitarbeiter den Unmut der Arbeitslosen verstärkt zu spüren. „Wer sowieso unzufrieden ist, benutzt das gerne als zusätzliches Argument“, sagt Hans-Jürgen Lüschen, Vize-Chef des Bremer Amts.

Der arbeitslose Keller ist um die 40, gelernter Fleischer mit jahrelanger Erfahrung im kaufmännischen Bereich. Weil die großen Schlachthöfe vor allem Angelernte einstellen, wie er sagt, will er auf Computerfachmann umschulen, sein Hobby. Doch der Berater im Amt lehnte ab: zu alt. „Wenn die das bei jedem 40-Jährigen machen, dann wundert es mich nicht, dass die kaum Stellen vermitteln“, ärgert sich Keller.

Auf weitere Termine im Amt hat er nach dieser Abfuhr verzichtet: „Ich weiß nicht, was das bringen soll.“ Trotzdem kommt der Fleischer alle zwei bis drei Tage ans Doventor, um selbst nach Stellen zu schauen. „Ich will schnell wieder einen Job.“

Drinnen ist an den Computern mit den Stellenangeboten kaum noch ein Platz frei. „Aber das ist mehr oder weniger Zeitvertreib hier“, sagt eine Mittvierzigerin, während sie die Angebote durchblättert. Die meisten der verzeichneten Stellen seien gar nicht mehr aktuell. „Jede Zeitung ist besser“, sagt die Frau. Ihren Arbeitsvermittler habe sie ein einziges Mal gesehen – für sechs Minuten. Beratung? „Der hat meine Daten im Computer angeguckt und gesagt: Gehen Sie nach unten und schauen Sie selbst nach freien Stellen.“

Bis zu 800 Arbeitslose betreut ein behördlicher Arbeitsvermittler in Bremen durchschnittlich. Viel Zeit, um bei Arbeitgebern nach freien Stellen zu suchen, bleibe da nicht, gibt Pressesprecher Jörg Nowag zu: „Die Bewerber binden einen Großteil unserer Vermittler.“ Neben ihrer eigentlichen Tätigkeit leisteten die Vermittler auch viel Verwaltungsarbeit. Sie müssten die Daten der Arbeitssuchenden erheben und diese über Rechte und Pflichten aufklären. „Ich kann schon verstehen, dass das nicht gleich als Beratung empfunden wird“, sagt Nowag. Auf die Wünsche der Arbeitslosen werde dennoch eingegangen.

Seit Januar 2001 hat die Bremer Außenstelle der Bundesanstalt für Arbeit das Reformkonzept „Arbeitsamt 2000“ umgesetzt. Muss-ten sich Arbeitslose früher für Beratung, Vermittlung und Geldleistungen jeweils an verschiedene Stellen im Amt wenden, gibt es seither „Beratungsteams“, die alle drei Aufgaben gleichzeitig übernehmen. Dafür änderten sich allerdings die Zuständigkeiten. Statt wie früher nach ihren Berufen werden die Arbeitslosen seit letztem Jahr nach dem Anfangsbuchstaben ihres Namens zugeteilt. Einzige Ausnahme: die Hochschulabsolventen. Eine Erwerbslose beschwert sich: „Die Vermittler haben gar keine Ahnung von den Berufen.“

„Die Zuordnung nach Berufen hat die Flexibilisierung verhindert“, verteidigt hingegen Nowag das „innovative“ Modell – und korrigiert damit Darstellungen von Politikern, wonach das Buchstaben-System veraltet sei. Eine fachliche Spezialisierung der Vermittler sei innerhalb eines nur 15-köpfigen Berater-Teams allerdings nicht mehr möglich, gibt der Arbeitsamts-Sprecher zu. Er betont: „Wir wollen im Interesse der Bewerber den weiten Blick haben.“ Die Arbeitssuchende unten am Computer kann über solche Äußerungen nur lachen. Reformen am Arbeitsamt? Sie findet: „Da sollte wirklich alles umstrukturiert werden.“

Armin Simon

*Namen geändert