„Schluss mit dem Filz“: Steuerzahler teilen aus

■ Plakataktion soll Jobvergabe nach Parteibuch öffentlich machen / „Wegen jeder Lappalie ein Gutachten“

Eine schallende Ohrfeige für alle Angestellten und Beamten in höheren Posten des öffentlichen Dienstes verteilt seit gestern der Bund der Steuerzahler. „Schluss mit dem Parteienfilz“ heißt es auf den rund 30 Plakaten, die in Bremen zu sehen sind – gemeint ist die Verteilung von lukrativen Führungsjobs in Behörden und öffentlichen Gesellschaften nach Parteibuch statt nach Qualifikation.

Jüngstes Beispiel im Lande Bremen: Sozialstadtrat in Bremerhaven wurde der SPD-Mann Wilfried Töpfer, bis dato Häfenexperte der Bremer SPD. Oft seien die Ausschreibung bereits so formuliert, dass sie auf den bereits ausgeguckten Partei-Kandidaten zuträfen, so Bernhard Zentgraf vom Bund der Steuerzahler. Die gesuchte Person muss dann „dynamisch“, „verantwortungsbewusst“, „integrativ“ oder „bürgernah“ sein – um fachliche Qualifikationen aber geht es in der Ausschreibung nicht. Zweiter Akt in Bremerhaven war dann die Personalie Teiser: CDU-Bürgerschaftsabgeordneter Michael Teiser sollte im Gegenzug Chef der Bremerhavener Versorgungs- und Verkehrs AG werden – auf die Ausschreibung sei gleich gänzlich verzichtet worden, so der Bund der Steuerzahler. Teiser verzichtete schließlich auch – „nicht zuletzt wegen des öffentlichen Protestes“, glauben die Steuerzahler-Vertreter.

Eigentlich müsste es im Apparat des öffentlichen Dienstes sein wie im wirklichen Leben: Da ist nämlich nur jeder 20. ein Parteimitglied. Weil das aber eine astronomisch hohe Quote wäre, wäre der Steuerzahlerbund schon zufrieden, wenn wenigstens nur noch jeder fünfte Staatsrat, Abteilungsleiter, Geschäftsführer öffentlicher Gesellschaften auf Parteiticket führe. Bis dahin, so Zentgraf, „fordern wir eine negative Parteienbesetzungsquote, ähnlich wie die Frauenquote.“

Das Parteibuch, hat der Bund der Steuerzahler analysiert, „senkt das Leistungsniveau in der öffentlichen Verwaltung.“ Dafür zahlt der Steuerzahler. Mehr noch: Qualifizierte Bewerber ohne Parteibuch würden zunehmend frustriert, wenn sie merkten, dass ihr Können kaum eine Rolle bei ihrer Karriere spielt. Und, so Zentgraf mit gewaltigem Seitenhieb auf Bremen: „Es ist ja schlicht unerträglich, dass wegen jeder Lappalie ein Gutachten in Auftrag gegeben wird. Nur weil die höheren Beamten nicht mehr in der Lage sind, diese Arbeit selbst zu machen.“ Weitere Folgen der Parteibuchwirtschaft: Wenn die Spitzenjobs nicht nach Wissen, sondern nach Farbe besetzt werden, ist der Respekt der unteren Ränge futsch. Wie sollen die ihre Chefs noch ernst nehmen, wenn die weniger von der Sache wissen als ihre Untergebenen? Und was soll der Bürger von seiner Verwaltung halten? „Von der Vorstellung, die Verwaltung sei ein Bollwerk von Wissen und Autorität, ist die Realität doch meilenweit entfernt“, sagt Bernhard Zentgraf.

100.000 Euro kostet die Plakataktion in Bremen und Niedersachsen den Verein – zwei Euro pro Mitglied. Der Steuerzahlerbund Bremen-Niedersachsen hat die Aktion im Alleingang gestartet. Ziel sei als erstes, mehr Bewusstsein für die Problematik zu schaffen. Auf Reaktionen seitens der Politik hoffen die Initiatoren nicht. Noch nicht. „Man sitzt das aus“, beschreibt Bernhard Zentgraf die übliche Reaktion auf Kritik des Steuerzahlerbundes. „Politiker werden erst aufmerksam, wenn sie von ihren Wählern gefragt werden.“ Genau dafür sind die Plakate da.

sgi