„Doch, der hat schon Aua gesagt“

■ Manfred H. wurde von vier guten Bekannten zu Tode geprügelt. Die Vorgänge, die heute vor dem Verdener Gericht verhandelt wurden, erinnern an eine brutale Orgie

„Als Erstes haben die Frauen zugeschlagen.“ Am Ende eines langen Tages war dann „die ganze Bude voll“ mit Leuten, die für den schwer verletzten „Manni“ weder Krankenhaus noch Polizei alarmierten. Gestern wurde vor dem Landgericht Verden gegen vier Menschen wegen schwerer Körperverletzung mit Todesfolge der Prozess eröffnet.

Aber der Reihe nach. Am 1. September letzten Jahres bekam der 44-jährige arbeitslose Manfred H., gerade aus dem Krankenhaus entlassen, Besuch von guten Bekannten. Die angelernte Friseuse Rita S., seine mittlerweile arbeitslose Ex-Freundin Edeltraut M. und deren Sohn Daniel betraten gemeinsam die Wohnung in der Königstraße in Dörverden. Sie wollten Manfred H. „zur Rede“ stellen, sagten sie gestern vor dem Schwurgericht. In der Wohnung von „Manni“ hatten sie Unterwäsche gefunden. Von sich, von Freundinnen und von ihren Töchtern. „Ein ganzer Berg“ habe im Nachttisch gelegen, zum Teil eingekotet, zum Teil voller Sperma. „Wir wollten wissen, warum er das macht, aber er hat nichts gesagt“, berichtet Edeltraut M. Dann habe erst sie, später die alkoholisierte Rita den ebenfalls betrunkenen Mann an den Haaren gezerrt und geschlagen. „Mit den Händen, soweit ich weiß“, sagt Rita. Aber sie haben ihn auch mit den Knien in die Rippen getreten.

Bis zum Abend schlugen und traten die vier Angeklagten und eine unbekannte Zahl später Hinzugekommener immer wieder auf Manfred H. ein. „Nu hört doch mal auf“, hat angeblich jeder mal gerufen – und dann doch weitergemacht. Sogar den Kopf haben sie ihm zwischendurch verbunden. „Das hat aber nicht lang gehalten.“

Die vier Angeklagten, die beiden Frauen um die 50, Sohn Daniel, 25, und Nachbar Mario Z., 24, wollten sich gestern nur bruchstückhaft erinnern. Unklar bleibt: Wer hat die Wunde am Hinterkopf verursacht, an der Manfred H. vier Tage später starb. Davon wird das Strafmaß abhängen. Und von der Antwort auf die Frage: Warum traktierten die Angeklagten das Opfer noch, als es längst blutüberströmt war? Warum demütigten sie ihn derart?

Rita S. zwang Manfred H., wie ein Hund zu kriechen. „Platz, hab ich gesagt!“ Dann stopfte sie ihm eine gebrauchte Damenbinde in den Mund und beschmierte sein Gesicht mit Lippenstift. „Die beiden Sachen hat er von meiner Tochter geklaut“, rechtfertigte sie sich. „Noch hab' ich eure Töchter ja nicht angefasst“, soll der Mann gesagt haben. Da sei auch Daniel M. kurzfristig ausgetickt. „Meine Schwester Michelle ist 14 und die ist schon öfter angefasst worden.“ Er schlug das Opfer ins Gesicht, auf den Oberarm und die Rippen.

Und dann war da noch Mario Z., Nachbar und Hauptangeklagter im Prozess. Fast jeden Tag habe er Bier geholt für das Opfer, so auch an diesem Samstag. Als er die Dosen am Nachmittag abliefern wollte, machte er mit. Erst beschimpfte er den Nachbarn. Freunde von ihm und Bekannte der anderen Beteiligten kamen dazu, bis zuletzt rund 15 Menschen versammelt waren. Mario Z., der bereits zweimal eine Alkoholtherapie abgebrochen hat, sagt, betrunken werde er leicht aggressiv. An diesem Tag versuchte seine Freundin, ihn vom Geschehen fernzuhalten. Ohne Erfolg. Zweimal verschaffte er sich Zutritt zum Schlafzimmer, in das sich Daniel M. mit Mutter und Rita zurückgezogen hatten. Er trat Manfred H. mit schweren Schuhen ins Gesicht. Später sprang er zu ihm aufs Bett und trat erneut zu. In die Seite, ins Gesicht. Die anderen haben ihn rausgeschmissen, einen Arzt riefen sie nicht. Hinterher soll Mario noch die Wohnung demoliert haben. „Der ist völlig ausgerastet“, sagt Edeltraut M.

„Hat denn Manfred H. nicht reagiert“, fragt Richter Stefan Nott mehr als einmal und mehr als einen. „Doch, der hat schon Aua gesagt“, sagt Rita S., „und dass ihm alles weh täte“, bestätigt Edeltraut M. Aber weg, sagen sie, weg hätte er nicht gewollt. Obwohl Zeugen genau das an einem der nächsten Verhandlungstage aussagen werden.

Elke Heyduck