„Wir brauchen Kontrollmechanismen“

Michael Steiner, Chef der UN-Mission im Kosovo, sieht nach der Wahl der Regierung in der Privatisierung der Wirtschaft Kosovos die größte Herausforderung. Damit Reformen gelingen, muss die Bevölkerung diesen Prozess mitgestalten

taz: Sie sind jetzt 14 Tage im Kosovo. Das Parlament hat eine neue Regierung und Ibrahim Rugova zum Präsidenten gewählt. Sie haben also Erfolg gehabt?

Michael Steiner: Wir sind dabei, einen wichtigen Schritt für die Zukunft des Landes zu machen. Jetzt, nach der Bildung der Regierung, werden die Befugnisse der UN-Mission schrittweise an die örtlichen Behörden abgegeben. Wir sind uns bewusst, dass wir in Zukunft auch Fehler machen können. Und der schlimmste Brocken kommt noch, die Privatisierung der Wirtschaft.

Ist die Resolution 1244 des Weltsicherheitsrates nicht hinderlich für die Entwicklung des Kosovo? Kosovo ist nach dieser Resolution einerseits Teil Jugoslawiens und andererseits Protektorat der UNO, jetzt mit eigener Regierung, die eine beschränkte Souveränität besitzt. Die Wirtschaft kommt nicht auf die Beine, weil niemand weiß, wem der Staatsbesitz gehört. Die Statusfrage behindert die Wirtschaftsreform. Wie wollen Sie damit umgehen?

Mit der Resolution 1244 wurde der Status des Kosovo offen gehalten, und Eigentumsfragen sind immer nahe an den Statusfragen, so sehen es auf jeden Fall die Juristen. Da aber diese Resolution vorgegeben ist, lässt sich nicht an ihr rütteln.

Wir müssen die Lösung der Probleme pragmatisch angehen, so auch bei der Frage der Privatisierung des Volkseigentums. Eine Möglichkeit ist, die jugoslawischen Gesetze anzuwenden, so weit sie praktikabel sind. Die große Mehrheit der Betriebe sind Volkseigentum, die meisten sind aber auch bankrott, das heißt, die Schulden übertreffen die Aktiva. Man kann einen Betrieb für bankrott erklären und so die Möglichkeit schaffen, dass jemand diesen Betrieb aufkauft, ohne die Statusfragen zu berühren.

Um weiterzukommen, brauchen wir Kontrollmechanismen. Man könnte nach dem deutschen Modell eine Treuhand-Behörde schaffen, man könnte aber auch dezentralisiert vorgehen. Das zweite Modell scheint mir praktikabler, es ist schneller und weniger bürokratisch.

Bei der Privatisierung wird die Mafia mitreden wollen …

Sicher sind da Kontrollmechanismen zu installieren. Die sollten von innen kommen, von den Leuten von vor Ort, wir wollen eine innere, so genannte check-balance durchsetzen. Lokale Vertreter, die genau die Situation kennen, können viel effektiver kontrollieren als ein Beobachter aus dem Ausland, der die Sprache und die Gegebenheiten nicht kennt. Zudem erreicht man den Effekt, dass sich die Leute nicht als Objekte vorkommen, sondern selbst gestalten. Es gibt natürlich destruktive Kräfte, die finanziell ihr Süppchen auf Kosten der Bevölkerung und der internationalen Anstrengungen kochen wollen. Wir brauchen deshalb vor allem die Bereitschaft der Bevölkerung, die Dinge zu verändern.

Da ist es doch kontraproduktiv, wenn die UN Jugoslawien und Mazedonien erlaubt, die Grenzen des Kosovo zu verändern. Das regt die Leute auf.

Die Resolution des Weltsicherheitsrates in Bezug auf die Grenze datiert von März letzten Jahres. Und auch an dieser Resolution ist nicht zu rütteln. Wir müssen im Rahmen dieser Entscheidungen das Beste machen. Meine Aufgabe ist nicht, legale Statusfragen zu kommentieren.

Deutschland ist jetzt auf dem Balkan stark involviert. In Mazedonien ist es militärisch in der Verantwortung. Sie sind, als Deutscher, Chef der UN-Mission im Kosovo.

Ich bin ein Deutscher, aber mein Chef heißt Kofi Annan. Dass Annan einem Deutschen die Mission anvertraut hat, ist zwar ein Zeichen. Der Erfolg aber, den wir hier anstreben, wird ein Erfolg für die UNO sein.

Interview: ERICH RATHFELDER