Öffentlich fliegt vor privat

Großflughafen: Angesichts der hohen Haushaltsrisiken durch eine Privatisierung muss eine öffentliche Finanzierung des neuen Airports ernsthaft erwogen werden, fordern die Wirtschaftsforscher vom DIW. Risiken sollen bis zu 1,3 Milliarden Euro betragen

von RICHARD ROTHER

Die Warnungen vor den aktuellen Privatisierungsplänen für den neuen Großflughafen Schönefeld werden immer deutlicher. „Es kann nicht sein, dass alle Risiken beim Staat, alle Gewinne aber bei den Unternehmungen verbleiben“, sagte gestern der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann. Dies entspreche nicht seiner Vorstellung von Marktwirtschaft. Die politisch Verantwortlichen seien jetzt gefragt, Alternativen zu prüfen. „Eine Hauptstadt braucht auch einen leistungsfähigen Flughafen“, so Zimmermann.

Berlin, Brandenburg und der Bund planen, die drei ihnen gemeinsam gehörenden Berliner Flughäfen vollständig zu verkaufen und daran den Ausbau des Airports Schönefeld zu einem internationalen Großflughafen zu knüpfen. Nach einer langen Serie von Pannen verblieben nur noch die einstigen Konkurrenzkonsortien um den Essener Baukonzern Hochtief und die Bonner Immobiliengruppe IVG im laufenden Privatisierungsverfahren. Die potenziellen Investoren haben Angebote vorgelegt, die in Berlin auf große Kritik stoßen, da sie enorme Risiken für die öffentliche Hand enthalten sollen.

Diese Befürchtungen stützen offenbar auch Details aus einem Bericht des Brandenburger Rechnungshofes, die gestern bekannt wurden. Ein Sprecher der Behörde bestätigte einen Bericht der Märkischen Allgemeinen, wonach das Privatisierungsverfahren geprüft wurde. Zum Inhalt wollte er jedoch keine Stellung nehmen. Die Zeitung zitiert den Rechnungshofbericht, nach dem das bisherige Angebot der Investoren die öffentliche Hand mit 1,3 Milliarden Euro belasten könne. Bis Mitte März wollen nun die Flughafeneigner entscheiden, ob sie offizielle Verhandlungen mit den Investoren aufnehmen.

Das DIW hält nun in seinem jüngsten Wochenbericht einen Neuanfang beim Großflughafen für erforderlich. Wenn die öffentliche Hand ohnehin einen großen Teil der Lasten trage, sollte sie konsequent sein und erwägen, selbst als Bauherr aufzutreten, heißt es. In der Regel könne sich die öffentliche Hand zu sehr günstigen Konditionen Kapital beschaffen. Private Finanzierungsmodelle seien nur besser, wenn mögliche Steuervorteile „weitergegeben“ würden; diese würden aber mit Steuerausfällen auf anderen Ebenen erkauft.

Das DIW verweist denn auch auf die bundesdeutsche Verkehrsgeschichte: Alle deutschen Verkehrsflughäfen sind überwiegend von der jeweiligen Kommune, dem Land sowie dem Bund gebaut und finanziert worden. Angesichts der Haushaltslage Berlins müsste der Bund allerdings einen größeren Anteil übernehmen, fordern die Wirtschaftsforscher. Derzeit hält der Bund 26 Prozent, Berlin und Brandenburg jeweils 37 Prozent an den Berliner Flughäfen.

Hart ins Gericht gehen die Wirtschaftsforscher zudem mit der so genannten Fluggastgebühr, die zur Finanzierung Schönefelds beitragen soll. „Damit würde fundamental gegen das Äquivalenzprinzip verstoßen.“ Die Passagiere in Tegel, Tempelhof und Schönefeld würden nämlich demnächst eine Gebühr für eine Leistung entrichten, die sie – wenn überhaupt – erst viel später in Anspruch nehmen könnten. Nach Ansicht des DIW kann eine Gebühr erst erhoben werden, wenn der neue Airport genutzt wird.

Der DIW-Verkehrsexperte Rainer Hopf geht in seiner Kritik noch weiter: „Der Standort Schönefeld ist wegen hoher Altlasten und Risiken ungeeignet.“ Da der bisherige Zeitplan – 2007 soll Schönefeld in Betrieb gehen – ohnehin nicht mehr zu halten sei, müssten wieder die Alternativstandorte wie Sperenberg oder Jüterbog geprüft werden.