Aufruf zum Heiligen Krieg gegen die USA

Im Süden und Osten Afghanistans kursieren seit einigen Tagen Flugblätter. Sie tragen die Handschrift der Taliban

BERLIN taz ■ In einigen Städten Ost- und Südafghanistans sind in den vergangenen Tagen mehrmals Flugblätter aufgetaucht, in denen zum bewaffneten Widerstand gegen die „verbrecherische Politik der amerikanischen Besatzer“ aufgerufen wird. Nach Informationen des US-Propagandasenders „Radio Free Afghanistan“ verteilen Sympathisanten der Taliban und des Al-Qaida-Netzwerkes die Handzettel meist vor Moscheen und Koranschulen. Die Amerikaner vermuten die Druckerei im Basar von Kandahar, tappen jedoch im Dunkeln über die Hintermänner. Gleich ist bei allen Flugblättern das schlechte Papier, die ähnliche Wortwahl in der Landessprache Paschtu und der Schlusssatz „Es lebe der Dschihad“.

Die Argumentation erinnert an die Propaganda des Taliban-Regimes. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion hätten sich die Amerikaner das Ziel gesteckt, so heißt es in einer Flugschrift, die ganze Welt zu unterjochen: „Als die Sowjetunion schwächer und schwächer wurde und in 15 Staaten zerfiel, nutzten die Amerikaner die Gelegenheit, Zwietracht unter den Muslimen zu säen, Verschwörungen zu initiieren und die heiligen Stätten des Islam zu entweihen“. Man werde nicht hinnehmen, dass Afghanistan in eine amerikanische Kolonie verwandelt werde, wie es vor Jahrzehnten schon mit der Türkei und einigen arabischen Staaten geschehen sei.

Das Regime in Saudi-Arabien wird von den anonymen Verfassern als „Lakai der Amerikaner“ diffamiert, das die Hauptverantwortung für die derzeitigen Spannungen in der islamischen Welt trage. Riad habe sich in den Dienst der Bush-Administration gestellt und paktiere heimlich sogar mit den Zionisten, anstatt den Juden den Heiligen Krieg zu erklären. Doch bei Gott, dem Allmächtigen, hätten in der Geschichte immer die Frommen gesiegt über das „Übel in der Welt“. Und so werde es auch diesmal sein: „So Gott will, ist der Tag sehr nahe, an dem Afghanistan ein größeres Gräberfeld für die Amerikaner wird als Vietnam und Somalia.“

Die Autoren der Handzettel behaupten, die Amerikaner und ihre Verbündeten würden bei ihrer Militäraktion in Afghanistan gezielt chemische und biologische Waffen gegen die Zivilbevölkerung einsetzen. Mindestens 12.000 Menschen seien ums Leben gekommen, eine weit größere Zahl unheilbar erkrankt. „Unter diesen Umständen ist es eine Pflicht geworden, gegen die USA und ihre Freunde den Heiligen Krieg zu führen.“

ROLAND HOFWILER