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: Filme aus dem Archiv – Frisch gesichtet

Ein Geburtstag: 80 Jahre alt wäre Pier Paolo Pasolini am 5. März geworden. Anlass genug, dem italienischen Regisseur und Dichter eine Filmreihe zu widmen, die im Filmkunsthaus Babylon mit dem essayistischen Dokumentarwerk „Comizi d’amore“ (1963) eröffnet wird, in dem Pasolini seine Landsleute zu Themen wie Sexualität, Liebe, Ehe und Scheidung befragte. Kreuz und quer reiste Pasolini durch Italien und ließ die Leute vor seiner Kamera reden: Kinder, Bauern, Studenten, die Fußballer von Bologna – sie alle reden mal mehr, mal weniger unbedarft über Sex und Freiheit, Tradition und Repression, Katholizismus und Homosexualität. Zwischenzeitlich diskutiert Pasolini mit drei Journalistinnen die Stellung der Frau und lässt seine Umfrageergebnisse von Alberto Moravia und Cesare Musatti kommentieren. Bei seinen Interviews beschränkt sich Pasolini keineswegs einfach auf das Beobachten: Er kommentiert, interpretiert und provoziert; er verwickelt die Menschen in Diskussionen und hat keine Scheu, ihnen auch ihre eigene Beschränktheit vorzuhalten. In dieser Hinsicht kann man „Comizi d’amore“ auch als eine Art Selbstporträt begreifen – ein in mehr als einer Hinsicht interessantes Dokument.

„Comizi d’amore“ 9. 3., 11. 3. im Filmkunsthaus Babylon

Noch ein Geburtstag: Heinz Rühmann, des Deutschen liebster Film-Kleinbürger, wäre dieser Tage 100 Jahre alt geworden. Die ungeheure Popularität des Mimen beruhte wohl vor allem auf seinem Talent, Harmlosigkeit und Pfiffigkeit miteinander verbinden zu können. Rühmanns Figuren stellten nichts wirklich in Frage und lavierten sich mit Findigkeit durch alle Lebenslagen – eine Fähigkeit, die den Schauspieler für jedes politische System kompatibel erscheinen ließ: von der Weimarer Republik mit ihren Wirtschaftskrisen über die Nazizeit bis hin zur Nachkriegsära mit Aufschwung und Vergangenheitsverdrängung.

Dominierte in Rühmanns Auftreten in späten Jahren ein gewisses Sentiment, so absolvierte er seine frühen Auftritte mit großem Aplomb. Frauentyp war er trotzdem nie, weshalb am Ende dann auch eher Willy Fritsch das Mädchen bekam – wie etwa in Wilhelm Thieles Musikkomödie „Die Drei von der Tankstelle“, wo die Herren gemeinsam mir Oskar Karlweis die besagte Tankstelle eröffnen, sich sodann in Lilian Harvey verlieben und schließlich einem Happy End entgegentanzen. Wobei für Heinz und Oskar nur die tröstliche Erkenntnis bleibt: „Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Schönste, was es gibt auf der Welt.“ Ansonsten trotzt man der Weltwirtschaftskrise mit einem fröhlichen Lied auf den Lippen und lässt sich nicht unterkriegen.

„Die Drei von der Tankstelle“ 11. 2.–12. 2. im Filmkunsthaus Babylon 2

Der französische Regisseur Jean Renoir vertrat eine interessante These: Die Welt, so schrieb Renoir in seiner Autobiografie, sei nicht durch vertikale Grenzen zwischen einzelnen Nationen voneinander getrennt, sondern durch horizontale Grenzen. Demnach könnten unterschiedliche Nationalitäten auch niemals das gegenseitige Verständnis von Menschen mit gleichen Interessen und Erfahrungshorizonten trüben. Diesem Gedanken huldigt Renoir auch in einem seiner bekanntesten Filme: „La Grande Illusion“ (1937) erzählt von zwei feindlichen Offizieren (Pierre Fresnay und Erich von Stroheim), deren Wege sich im Ersten Weltkrieg immer wieder kreuzen. Doch trotz des Kriegszustandes ihrer Nationen begegnen sie einander stets mit Respekt und Verständnis. Übrigens lebte Renoir seine Philosophie auch im Alltag: Der Deutsche Carl Koch, ein wichtiger Mitarbeiter des Regisseurs, hatte im Krieg am gleichen Frontabschnitt noch gegen seinen späteren Freund gekämpft.

„Die große Illusion“ 7. 3. im Arsenal 2

An der opulenten Ballszene in „Der Leopard“ arbeitete der detailbesessene Luchino Visconti gute anderthalb Monate: Er drehte mit echten Adeligen als Statisten und ließ echte Speisen auf originalem Geschirr auftragen, um einen letzten grandiosen Höhepunkt einer dem Untergang geweihten Klasse im Palermo der Sechzigerjahre des vorvergangenen Jahrhunderts zu inszenieren. Mitten im Trubel: der von Burt Lancaster mit resignierter Grandezza verkörperte Fürst von Salina, der weiß, dass die Zeit über ihn hinweggerollt ist.

„Der Leopard“ 8. 3. im Filmtheater am Friedrichshain; 10. 3. im Delphi; 11. 3. im Thalia Babelsberg

LARS PENNING