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Grüne und Wissenschaftler kritisieren die Nachhaltigkeitsstrategie des Kanzleramts. Sie sei zu vage, und die Endlichkeit der Umweltressourcen werde zu wenig betont

BERLIN taz ■ Manchmal sind die Bundestagsabgeordneten ganz selbstbewusst. Und manchmal haben sie mit dem Kanzleramt zu tun. „Es ist unbedingt erforderlich, die Bemühungen zur Einbindung möglichst vieler gesellschaftlicher Akteure zu verstärken“, schreiben die grünen Umweltpolitiker Winfried Hermann und Reinhard Loske an das Amt. „Dazu gehört in jedem Fall auch der Deutsche Bundestag.“

Es geht um die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie, deren Entwurf Hans Martin Bury (SPD), Staatsminister im Kanzleramt, im Dezember präsentierte. Noch diesen Monat soll die endgültige Fassung im Kabinett verabschiedet werden. Wenig Zeit, um die angekündigte gesellschaftliche Diskussion darüber zu suchen. Das kritisieren nicht nur die Grünen, sondern auch der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU).

Offenbar wurde bislang weder der Sachverstand des Parlaments noch der der regierungseigenen Sachverständigen gesucht. „Der Wissenschaft wurde in diesem Prozess keine angemessene Mitwirkungsmöglichkeit eingeräumt“, schreiben die Spitzenforscher des WBGU.

Die vom „grünen Kabinett“ der Staatssekretäre entwickelte Nachhaltigkeitsstrategie sieht für die nächsten Jahre etwa Fortschritte beim rationellen Umgang mit Energie und Flächen, beim Ökolandbau und im umweltfreundlichen Verkehr vor. Auch ein ausgeglichener Haushalt, Wachstum und ein besseres Bildungssystem sind Anliegen. Die Entwicklung soll anhand von 21 Indikatoren bewertet werden.

Grüne wie WBGU loben den Ansätze, äußern aber auch Kritik. Insbesondere bemängeln sie fehlende Klimaziele über 2010 hinaus und eine Strategie zum Abbau umweltschädlicher Subventionen. Auch seien die Wege unklar, auf denen die Ergebnisse erzielt werden sollen.

Ebenfalls einhellig beklagen Grüne wie WBGU einen zu geringen Stellenwert der Umwelt. Für eine zukunftsfähige Entwicklung müsse die Umwelt „die Richtung vorgeben“ (Hermann und Loske), der „Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen als eine zentrale Koordinate dienen“ (WBGU). Die Ökologie setze die „Leitplanken“ auf dem Weg, auf dem sich die Gesellschaft bewegen könne, schreiben die Sachverständigen. Dagegen komme in den Nachhaltigkeitsbegriffen der Regierung „die Kategorie Umwelt“ gar nicht mehr vor.

Während die Grünen freundlich und zurückhaltend formulieren, ist der Tenor des WBGU deutlich skeptischer. Der Entwurf betone „zu stark die aktuellen Reformprojekte in der Agrar-, Energie- und Haushaltspolitik“ von Rot-Grün. Zwangsläufige Interessenkonflikte würden verschwiegen, weshalb entsprechende Blockaden nicht angegangen werden könnten.

Schließlich seien die Indikatoren für den Nachhaltigkeitsprozess nicht zielführend gewählt. So lasse sich etwa das Ziel einer „umwelt- und sozialverträglich“ gesteigerten Wirtschaftsleistung nicht allein am Bruttoinlandsprodukt messen.

MATTHIAS URBACH

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