Ein Blick in die Kulturarbeit

25 Jugendliche verbringen erstmals ein Freiwilliges Soziales Jahr in Berliner Kultureinrichtungen. Das Modellprojekt kommt gut an. Sowohl von Jugendlichen als auch von den Organisationen gibt es mehr Bewerbungen als Plätze

„Zwei Videorekorder haben wir aneinander geschlossen und mit Aufnahme- und Stopptaste den Film zusammengeschnitten“, erzählt Daniel Stephan (22) über seine ersten Basteleien an einem eigenen Film und muss grinsen. Irgendwann landete er im Medienzentrum Clip in Schöneberg und lernte dort den Umgang mit digitalem Schnitt. Und er blieb hängen.

Mittlerweile gibt er sein Wissen an andere Kinder und Jugendliche weiter, gestaltet Filmprojekte mit Schulklassen, erstellt Dokumentarfilme über Aktionen im Haus und hilft bei der Vorbereitung von Workshops und Wettbewerben. Im Offenen Kanal flimmern dann die filmischen Endprodukte über den Bildschirm. Vor kurzem hat Daniel mit einer Integrationsschulklasse mit der Blue Box gearbeitet. „Das fasziniert die meisten Kinder, wenn sie auf einmal in ihrem eigenen Musikvideo tanzen oder mit Michael Jordan Basketball spielen.“

Daniel ist einer von 25 Jugendlichen, die seit September letzten Jahres im Rahmen des Bundesmodellprojekts „Freiwilliges Soziales Jahr im Kulturellen Bereich“ (FSJK) in Berliner Kultureinrichtungen tätig sind. Initiator dieses Projektes ist die Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung e.V. (BKJ), die Koordinierung wird von den einzelnen Landesvereinigungen (LKJ) übernommen. Das Modellprojekt ist zunächst auf vier Jahre angelegt, bislang sind die Länder Berlin, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen beteiligt. Finanziert wird das Ganze aus Bundes- sowie Ländermitteln, die kulturellen Einrichtungen selbst steuern monatlich 200 Euro pro Jugendlichen bei. In Berlin teilen sich die Jugend- und Familienstiftung des Landes Berlin (jsfb) sowie der Senat den Länderanteil.

Das Interesse seitens der Jugendlichen war bereits im ersten Jahr groß. „Wir hatten insgesamt über 70 Bewerbungen auf die 25 Plätze“, berichtet Cristina Artola, Koordinatorin des FSJK in Berlin, „der Bedarf ist auf jeden Fall da.“ Auch die Neubewerbungen der kulturellen Einrichtungen übersteigt die Anzahl der vorhandenen Plätze. „Da es ein Modellprojekt ist, wechseln zum Teil auch die kulturellen Einrichtungen. Wir wollen schließlich mehreren die Chance geben, sich zu beteiligen. Wir achten zudem auf eine ausgewogene Mischung aus Museen, Theatern, Orchestern, Bibliotheken, Medienwerkstätten, Tanzgruppen, Rockmusikinitiativen usw.“

Paula Gelbke (22) ist in der Öffentlichkeitsarbeit im Kesselhaus der Kulturbrauerei gelandet und schwärmt: „Für mich war klar, dass es die Kulturbrauerei sein soll. Schließlich ist das hier der Treffpunkt der Berliner Kulturszene. Hier läuft alles zusammen.“ Einen Blick hinter die Kulissen der Kulturorganisation und des Managements wollte sie erhaschen, nachdem sie bereits in der Schule und in einem Jugendklub erste organisatorische Erfahrungen sammelte. Dort half sie Partys, Kinoabende und Bandwettbewerbe mitzuorganisieren. Hilfreich war es für ihre jetzige Tätigkeit auf jeden Fall und einige Ideen würde sie auch gerne übernehmen. „Man könnte doch viermal monatlich eine Band auftreten lassen und eine Band des Monats wählen. Und am Jahresende gibt es dann einen Endausscheid zur Band des Jahres.“ Ein Konzept hat sie bereits erarbeitet und hofft nun auf dessen Umsetzung. Die Seite des Musikmachens kennt sie schließlich auch aus eigener Erfahrung – in ihrer Freizeit steht sie selbst zuweilen auf der Bühne und singt in der Band Cookies ’n Crime.

40 Stunden in der Woche sind die Freiwilligen für die kulturellen Einrichtungen im Einsatz. Ein Vollzeitjob also, der mit gerade mal 280 Euro Aufwandsentschädigung entlohnt wird. „Mit Wohn- und Kindergeld sowie elterlicher Unterstützung kommt man schon irgendwie über die Runden“, meint Daniel. Manchmal fällt durch die Kontakte in der kulturellen Einrichtung auch ein Nebenjob ab. „Ich leiere die Orgel in einem Theaterstück. Da ist der Organist ausgefallen und sie haben mich gefragt, ob ich einspringen möchte“, erzählt Paula. Nach Beendigung ihres Freiwilligen Jahres möchte sie studieren und danach vielleicht irgendwas im Bereich Journalismus oder Öffentlichkeitsarbeit machen. Genau weiß sie es noch nicht. „Mich interessieren alle Seiten – das Musikmachen, die Organisation und das Berichten darüber.“

Daniel möchte gern Regisseur werden und wird sich im Herbst an einer Filmhochschule bewerben. „Bislang war ich für die noch zu jung. Und jetzt kann ich sogar ein Jahr praktischer Erfahrung in einem Medienzentrum vorweisen.“ UTA ROSSBERG