■ Was machen wir am 8. März?
: Nicht mehr so weiter!

Nach dem akademischen Postfeminismus international und seiner eleganten Verabschiedung aus der Weltrealität meldete sich dieser wieder, und zwar brutaler für Frauen, als sich die skeptischsten Kritikerinnen hätten je vorstellen können. Niemand hätte geglaubt, dass das Beispiel Afghanistan, die völlige Entrechtung von Frauen im global village, überhaupt möglich gewesen wäre und vor allem so lange geduldet bleiben könnte. […] Man muss sich mal bewusst verharmlost folgendes männerbezogenes Szenario fantasieren:

In Ländern, wo das „Empowerment“ der Frauen zu Karrieren in der Legislative und Exekutive geführt hätte, hätten sich diese effizienzorientiert an die Kosten des gender trouble gemacht, die hauptsächlich Männer in ihrer kriegerischen Spielfreude nach Fußballspielen, nur mal so z. B., verursachen. Ganz nach herrschender Privatisierungsdoktrin würden sie nicht mehr Polizeischutz und Sanitäter bereitstellen wollen, um die gegnerischen Fans auseinander zu halten, sondern ganz im Gegenteil alle, die sich kloppen wollen im Stadion, zurückhalten, damit sie sich selber gegenseitig niedermachen – bis zum letzten Mann. Kein Sexstreik, sondern ein Fürsorgestreik würde die human denkende Männerwelt in Solidarisierung auf die Straßen treiben, damit das Fußballspiel gerettet würde. Die dafür verantwortlichen Politikerinnen würden darüber als gemeine und kalte Karrieristinnen attackiert, gegen die sich die Internationale der Männerbälle längst zu einer mächtigen Allianz formiert hätte. Denn Spaß muss sein!

So viel Anspruch auf Grundrechte existenziellerer Art wird den Frauen in Afghanistan, Saudi-Arabien und Iran nicht zugestanden. Wie religiös die Herrschaft der Männer und die Unterordnung der Frauen betrieben wird, hat auch die coolsten Frauen der so genannten Ersten Welt aufgeschreckt und daran erinnert, wie alle Politiken „gender-sensitiv“ […] die Männerprivilegien schützen. Dass Frauen sich am 8. März nun alljährlich traditionell zum Internationalen Frauentag äußern dürfen oder gar sollen, bringt die Machthaber nicht arg in Verlegenheit, sondern nur die Frauen, die sich immer wieder etwas Neues zum alten Jahrestag einfallen lassen sollen. […] Also was passiert? Die SPD-nahe Friedrich Ebert Stiftung fordert dieses Jahr sinnfällig dazu auf, die „Frauenpower im Generationenwechsel“ zu thematisieren. […] Ohne Zweifel werden bei Musik, Kabarett und Talkshow die angekündigten „Schlachtrösser“ wie Alice Schwarzer und die SPD-Politikerinnen Christine Bergmann und Heide Simonis sich gegenseitig in ihrem Erfolg bestätigen und die Bösen Mädchen werden auf Powerluder machen, und danach denkt man, wie im Fernsehen und nicht weiter. Die Bündnis-90-Frauen, dramatisch ausgegrünt nach einer hoffnungsvollen geschlechterdemokratischen Schönwetterperiode, präsentieren sich in ihrer Einladung nüchtern mit dem Motto: Frauen-Macht-Politik. Sie zitieren Simone de Beauvoir: „Frauen, die nichts fordern, werden beim Wort genommen.“ Dem widersprechen werden wohl aber die einladenden grünen Stars Adrienne Goehler, Renate Künast und Sibyll Klotz, doch das wird den Leithammel Joschka Fischer nicht davon abbringen, weiterhin Frauenopfer für seine weitreisende Politik zu fordern, um seiner gebieterischen Beliebtheit keinen Schaden anzutun. […] Den politischen Frauen aber bleibt der Internationale Frauentag trotz allem Firlefanz ein feministischer Stachel, denn sobald sie über die Realität nachdenken, beginnt das Unbehagen über das Versagen der Politik. […]

Die UN-Frauen planen eine Video-Direktschaltung zwischen Kabul und New York, vielleicht wird das zumindest die Bürobeschaffung für die afghanische Frauenministerin beschleunigen, ansonsten hat die UN kein Geld und keinen Auftrag, um z. B. eine Beobachterinnengruppe für Afghanistan einzusetzen, wie von der afghanischen Soziologin Mariam Notten hier in Berlin gefordert. Selbst nach dem afghanischen Menetekel meinte der UN-Generalsekretär Kofi Annan nach Erhalt seines Friedensnobelpreises in Oslo doch die Frauen in Afghanistan vor überzogenen Forderungen warnen zu müssen, damit diese den Demokratisierungsprozess dort nicht gefährden. […] Feministinnen der Feminist Majority und Equality Now reagierten alarmiert und islamische Feministinnen kritisierten diese noble Zurückhaltung als Frauenfeindlichkeit. Wie in allen Welten die Männer sich nicht allzu sehr daran stören, unter sich zu powern und unter sich zu bleiben, entwickeln sie in ihrer traditionellen Monokultur kein demokratisches Bewusstsein, so sehr die sie begleitenden Frauen in der „entwickelten“ Welt auch von der Zivilgesellschaft schwärmen. Was das wohl ist angesichts der Statistiken dieser Welt? Da die Frauen nicht überall so lange warten können, bis die Männergesellschaften und ihre Religionskämpfe aufgeklärt genug sind, den Frauen durch Ausbildung und Partizipation demokratische Repräsentation zu ermöglichen, sollte ein WeltFrauenSicherheitsRat männliche Vergehen gegen solche Menschenrechtsverfehlungen wie in Afghanistan bereits im Ansinnen aufgreifen, um sie der Weltöffentlichkeit und dem amtierenden Weltsicherheitsrat (nur Männer!) zur Problemlösung vorzulegen. Damit der 5* Klub seine Aufgabe, die Welt zu sichern, annimmt, müsste der WeltFrauenSicherheitsRat mit eigenem Budget die Demokratisierung des Vereins und seiner Tätigkeiten kontrollieren. Diese Idee der SCHEHERAZADE-Initiative hat in NY besonders bei NGOs der Dritten Welt und interreligiösen Vereinigungen und zahlreichen feministischen Theoretikerinnen und Aktivistinnen großen Anklang gefunden. […] Der WorldWomen’sSecurityCouncil (WWSC) ist eine über den 8. März 2002 hinausgehende Forderung, der die Frage der Sicherheit zu einem internationalen Thema der geschlechterdemokratischen Perspektive macht. […] Da Afghanistan nicht überall ist, dürfen wir nicht wieder in die Kulturfalle (Khalida Messaoudi) der Ignoranz fallen. Wenn wir nicht aufpassen, passiert Afghanistan immer wieder. HALINA BENDKOWSKI, Berlin

Kontakt: halina.bendkowski@gmx.de, Agentin für Feminismus&Demokratie. Sie war für 3 Monate in den USA-NY auf der Suche nach MitstreiterInnen für den WeltFrauenSicherheitsrat

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