Sieg für Neinsager

Die Mehrheit der Iren lehnt bei einem Volksentscheid eine von der Regierung befürwortete Verschärfung des Abtreibungsrechts ab

aus Dublin RALF SOTSCHECK

Die Iren haben den Regierungsvorschlag zur Abtreibung abgelehnt. Das Ergebnis war äußerst knapp, beide Seiten trennten nur 10.000 Stimmen – deutlich weniger als 1 Prozent der Wahlberechtigten. In Städten wie Dublin, Cork, Galway und Limerick haben rund 60 Prozent mit Nein gestimmt, 40 Prozent befürworteten den Regierungsvorschlag. In den meisten ländlichen Wahlkreisen war das Resultat umgekehrt. Die Wahlbeteiligung lag bei nur 40 Prozent.

Die Regierung wollte mit dem Volksentscheid vom Mittwoch eine Selbstmordgefahr als Abtreibungsgrund ausschließen lassen. Es war das fünfte Referendum zu diesem Thema in 19 Jahren. Abtreibung ist seit 1861 verboten, 1983 wurde das Verbot per Volksentscheid in die Verfassung aufgenommen. Doch vor zehn Jahren urteilte der Supreme Court, dass bei Lebensgefahr für die Schwangere eine Abtreibung zulässig sei. Dazu zählten die Richter auch Selbstmordgefahr.

Das Urteil bezog sich auf den „Fall X“: Eine 14-Jährige wurde schwanger, nachdem sie vom Vater ihrer Freundin vergewaltigt worden war. Ein Gericht untersagte dem Mädchen die Ausreise zur Abtreibung nach England. Der Supreme Court hob dieses Ausreiseverbot auf. Die Regierung hätte nach dem Urteil handeln und Gesetze verabschieden müssen. Stattdessen riefen die Politiker 1992 einen Volksentscheid aus. Der Regierungsvorschlag fiel durch. Frauenorganisationen bemängelten, dass eine Gesundheitsgefährdung der Schwangeren kein Abtreibungsgrund sein sollte, Abtreibungsgegner wollten nicht mal akute Lebensgefahr gelten lassen.

Nun ist es also wieder schiefgegangen, weil nicht nur die Oppositionsparteien und Frauenorganisationen zu einem Nein aufriefen, sondern auch die radikalen Abtreibungsgegner, die eine schleichende Einführung von Abtreibung in Irland befürchteten, wenn sie bei Lebensgefahr für die Schwangere legalisiert werde. Dabei enthielt der Regierungsvorschlag die semantische Spitzfindigkeit, dass es sich in diesem Fall nicht um eine Abtreibung handeln würde. Damit wollte man die Abtreibungsgegner beruhigen, und die katholische Kirche sowie „Pro-Life-Organisationen“ spielten mit.

Es reichte nicht, weil neben den selbst ernannten Hütern der Moral auch die Berufsverbände für Anwälte, Krankenschwestern und Ärzte gespalten waren. Premier Bertie Ahern hatte am Montag verkündet, die Ärzte würden geschlossen hinter der Regierung stehen, doch am Dienstag meldeten sich 25 Gynäkologen zu Wort und setzten sich für ein Nein im Referendum ein. Rechtsexperten monierten, dass die Rechtssituation in Bezug auf Spirale und „Pille danach“ diffus bleibe. Weil das Referendum an einem Mittwoch stattfand, war die Hälfte der Studenten ausgeschlossen. Sie müssen ihre Stimme am Wohnort der Eltern abgeben, doch über die Hälfte wohnt in entfernten Städten. Ahern sagte gestern, dass er sich noch nicht überlegt habe, was im Falle eines Neins beim Referendum geschehen werde. Auch werde er sich nicht beeilen, um die nötigen Gesetze zu verabschieden.

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