■ H.G. Hollein
: Gestaltungswille

Die Frau, mit der ich lebe, ist von bisweilen gnadenloser Dynamik. Ich ja eher nicht. Trotzdem: unser Nestchen soll mal wieder schöner werden. Ein neuer Teppichboden fürs Schlafzimmer ist angedacht. Bei der Gelegenheit würde die Gefährtin dann auch gleich den Bettkasten neu streichen. In der Küche haben die Hängeschränke – zugegeben sichtlich – die Grenzen ihres Fassungsvermögens und ihrer Haltbarkeit erreicht. Mithin, Ersatz – „aber schön flach und lieber hoch als breit“ – ist überfällig. Damit einhergehend könnte man natürlich flankierend endlich grundlegend den Aufbau unseres Versorgungs-traktes ändern. Also: eine neue Spüle muss her. Natürlich keine mit Normmaß, sondern eher etwas im Bereich zwischen 80 und – „aber höchstens!“ – 90 Zentimetern Breite. Und wo wir gerade dabei sind, eine zusätzliche Lichtquelle über dem Geschirrumschlagplatz ist schließlich schon lange ein Desiderat. Ebenso wie ein schmalerer Kühlschrank. Den vorsichtigen Hinweis, dass sie mit ihren Miniaturisierungsbestrebungen allenfalls bei einem Yacht-Ausstatter fündig werden könne, wischte die Gefährtin leichten Herzens beiseite. „Na ja, dann baut der uns halt was Passen-des.“ Seltsam unzugänglich reagierte die großzügige Planerin allerdings auf meinen Vorhalt, dass eine derartige Projektfülle ein gewisses Maß an Liquidität voraussetzt. Mit ein oder zwei zusätzlichen Putzjobs sei für das Ganze so in zwei, drei Jahren zweifellos eine realistische Finanzierungsgrundlage zu schaffen, merkte ich an, allein, am leeren Blick der Gefährtin war unschwer abzulesen, dass sie über diese Brü-cke wohl nicht gehen wird. Da gilt es, sedierende Zwischenlösungen zu finden. So ist es mir – immerhin schon sieben Wochen nach Auftragserteilung – gelungen, einen kleinen Fotorahmen für eine 30er Jahre-Autogrammkarte des Lieblingschansonniers der Gefährtin zu finden, die ich ihr von einem Flohmarkt mitgebracht hatte. Was den Rest angeht, morgen ist ja auch noch ein Tag. Oder übermorgen.