Still nach den Sternen greifen

■ Aus dem Alb direkt in die banale Realität: Angela Guerreiros stellt sich in „Project Z“ auf Kampnagel den Tod vor

Auf einmal ist das Ende da. Aber wie nun aufhören? „Was passiert jetzt?“ – „Ich habe vorhin schon Schluss gemacht.“ – „Lass uns gehen.“ – „Ich kann warten.“ – „Wo-rauf?“ Als hätte jemand plötzlich das Licht angeknipst, kehren die Tänzer zurück aus Melancholie und albtraumhafter Raserei in eine banale Begegnung. Und die wird zu einem der schönsten, poetischsten Momente im ganzen Stück.

Die zentrale Frage dabei: Wie sieht das Ende aus – beziehungsweise der Tod? Der Frage aller Fragen gibt Angela Guerreiro in ihrer neuen Produktion Project Z auf Kampnagel schließlich eine handfeste theatrale Wendung: Wie beende ich ein Tanztheaterstück, das den Tod zum Thema hat? heißt jetzt die Frage. Interessant wäre aber auch die Frage nach einem überzeugenden Beginn des Stückes gewesen. Denn da pellen sich die Tänzer mühsam lange aus ihren Kapuzenzwangsjacken, bis sie sie endlich wie eine Schlangenhaut abgestreift haben. Doch bevor die geschlüpften Kreaturen ein Eigenleben entfalten, kommt die Sängerin Jo Stone wie ein Wesen von einem anderen Stern den langen, dunklen Gang entlang, schiebt einen gläsernen Wagen vor sich her.

Durch diesen Vorhangschlund, auf eine Videoleinwand zu, auf der ein Mensch geht und geht und geht, haben zuvor die Zuschauer den Raum betreten. Nun scharen sie sich um die Darsteller. Die Trennung von Publikum und Bühne ist aufgehoben. In dem Raum, den Paul Gazzola aus braunen Holz geschaffen hat, sitzen gewissermaßen alle in einem Boot. Ytongsteine sind zu Mauern und einem Turm gestapelt.

Wenn die Vorhänge dann fallen, wächst die anfangs in zwei Hälften geteilte Spielfläche zu einer stimmungsvollen Landschaft zusamnmen. Sie besteht aus Steinen und Menschen, die am Boden lagern oder umherwandern. Manchmal verliert man darin die Tänzer glatt aus den Augen. Aber die legen nun richtig los, wirbeln Puppen und einander umher. Reißen an sich he-rum, zucken die Hüften, als gelte es das Leben in sich hinein – oder aus sich heraus – zu pumpen. Manche der menschlichen Attrappen verliert dabei den Kopf. Und auch mancher Zuschauer verliert die Orientierung. Einat Tuchmann balanciert auf den Turmzinnen. Soll sie springen oder nicht?

Jo Stone beklagt in einem Gospelsong unsere Schuld an der Verlogenheit dieser Welt, nachdem keiner ihrer Aufforderung zum Tanz folgen wollte. Doch wenn Cristina Moura dann ganz oben auf dem Turm still und leise nach den Sternen greift, scheint der Himmel plötzlich auf sinnliche, unsentimentale Weise nah – und Angela Guerreiros Abschluss ihrer Trilogie XYZ am Ende wie ein neuer Aufbruch. Irmela Kästner

weitere Vorstellungen: 14.–17.3., 21 Uhr, Kampnagel (k6)