Der Untergang der „Gustloff“

■ RB-Doku „Vom Flaggschiff zum eisernen Sarg“ läuft am Sonntag

Günther Grass hat das Thema vorgelegt: Das Schicksalsschiff, die „Wilhelm Gustloff“ und ihr Untergang 1945 vor der Danziger Bucht mit 10.000 Menschen an Bord. Und wo gerade alles nach der „Gustloff“ fragt, da mischt auch Radio Bremen mit. Diesen Sonntag bringen sie ihr Feature „Vom Flaggschiff zum eisernen Sarg“.

Und das geht natürlich nicht ohne Grass selbst, dessen Audio-Archiv beim Bremer Sender liegt. So kommen als O-Ton gestreut kleine Grass-Exzerpte aus dem „Krebsgang“ vor. Ansonsten erzählt Detlef Michelers mit Augenzeugen und knarzenden Original- Radiostimmen ganz eindrücklich die Geschichte des Riesenkahns, der den Aufstieg und Untergang der NS-Diktatur symbolisiert.

Das knapp einstündige Feature beginnt mit der Witwe und der obligatorischen Flasche Sekt am Bug des Schiffes. Der 5. Mai 1937 war das, eine Jubelfeier der Nationalsozialisten, die das erste „Kraft durch Freude“-Schiff vom Stapel ließen und damit ihren Gustloff ehrten, einen der aktivsten Nazi-Propagandisten. Ein Kreuzschiff war die Gustloff damals noch, das modernste seiner Zeit. Mit fließend heißem und kaltem Wasser, Zwei- und Vierbettkabinen, zehn Decks und vielen Festsälen, das war ein „Komfort, wie ihn die wenigsten der 1.500 Passagiere von zu Hause her kannten“. Aber die unbeschwerten Urlaubsfahrten in den Norden oder nach Madeira währten nicht lange. Zum Kriegsbeginn zwei Jahre später wurde die Gust-loff zum Lazarettschiff umgebaut und schließlich kurz vorm Ende als Truppentransporter benutzt.

Michelers Geschichte läuft langsam und ganz chronologisch an. Allein die Grass-Fragmente über den Kommandeur des russischen Torpedo-U-Boots lassen die Dynamik, die die Geschichte noch bekommt, erahnen. Bisweilen aber werfen die detaillierten Grass-Zitate mehr Fragen auf, als für den Erzählstrang sinnvoll ist.

Richtig spannend aber wird es erst am 20. Januar 1945, dem Tag des Untergangs. Hier lässt Michelers reihenweise Augenzeugen zu Wort kommen, die O-Ton auf O-Ton folgend stückchenweise die Katastrophe des Untergangs beschreiben. Drei Torpedos hatte Alexander Marinesko auf die Gustloff abgefeuert, auf der die Russen „faschistische Soldaten“ vermuteten, aber keine Flüchtlinge und 5.000 Kinder. Der dritte Torpedo traf schließlich den Maschinenraum. Dann, erinnert sich Heinz Schön, „erlosch das Licht und die Maschinen standen still, das Schiff hatte sofort Schlagseite“. 10.000 drängten nach oben, nach draußen, ans Deck. Auf der Treppe lagen schnell die ersten Toten, „ich würde sagen 50 bis 75 Zentimeter hoch – totgetrampelt“, berichtet Schön weiter. Im eiskalten Ostseewasser hörten sie schließlich „einen tausendstimmigen Schrei“, das Schiff ging unter, „und dann war alles still.“ Gut drei Monate vor Kriegsende war das. „Nur etwa 1.000 Menschen wurden gerettet“, schloss damals ein Radiosender.

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Sonntag morgen von 8.35 bis 9.30 Uhr wird die Gustloff-Dokumentation im Nordwest-Radio ausgestrahlt.