Trüffelpaste und Särge

■ Eindrücke von der Garten-, Reisen-, Freizeit-Messe, in der Hundehalter voll auf ihre Kosten, Gärtner aber auf nur einen Pflanzenstand kommen.

Ja, was machen die denn hier? Zwischen den Zelten mehrerer Outdoor-Ausstatter und den Spring- und Spaßanlagen für die kleinen Besucher der Messe „Garten, Reise, Freizeit“ hat die Bundeswehr ihre Zelte aufgeschlagen. „Wir machen hier Öffentlichkeitsarbeit“, erklärt Marcus Hanf vom „Zentrum für Nachwuchsgewinnung“. Aber ist das mit der Rakete nicht ein biss-chen geschmacklos? „Das ist eben keine Rakete, sondern eine Drone, ein unbemannter Flugkörper“, erklärt Hanf. Und genau deswegen sei er hier, um mit den Leuten zu reden, ein paar Sachen zu erklären. Freitag, am zweiten Tag der Messe ist nicht viel los, aber heute soll es brummen. Hofft er und hoffen auch die anderen knapp 300 Aussteller, die sich über fünf Hallen verteilen und dort von der Trüffelpaste bis zum Hundegrabstein Lebenstil-Accessoires für Kleinbürger verkaufen.

Mit Themeninseln haben die Veranstalter für Orientierung gesorgt – am publikumswirksamsten ist die Heimtiermesse. Mehr als 80 Leute sitzen auf Tribünen und beobachten eine Hunde-Erziehungsvorstellung. „Ich hab gar keinen Hund“, gibt Besucher Otmar West zu, „aber wenn ich einen hätte, würd' ich ihn erziehen.“ Ein Dobermann lässt grade eine „geplante Irritation“ in Form einer Frau mit vor den Bauch gebundenem Baby passieren. Ohne zu mucken – Test bestanden. Ein paar Meter weiter der Stand von Hundepensionsbetreiberin Iris Wenzel. ,Stand' ist eigentlich das falsche Wort. Eine grau-grüne Polstergarnitur, ein ebensolcher Teppich, ein Side-Board mit Spitzendeckchen, auf dem Tisch eine Schale voller Hundekuchen. „So bring ich rüber, dass die Hunde bei mir ins Haus können. Auch ins Bett, wenn sie wollen.“ Wenig später gerät man in die Arme der Rattenfreunde e.V. „Wir machen hier gute Erfahrungen“, sagt Ina Walther, die bis vor kurzem 52 Ratten in ihrer Wohnung beherbergt hat („Das schränkt den Freundeskreis schon ein.“) Mit den Reptilien-Ausstellern nebenan konnten sie sich darauf verständigen, dass während der Messe keine Ratten an die Schlangen verfüttert werden. Und wenn doch mal ein Malheur passiert: Auch der Tierfriedhof hat seine Zelte hier aufgeschlagen: kleine Särge für Blacky & Co. und eine Auswahl von Grabsteinen bereiten auf den schlimmsten Moment im Leben eines Haustierhalters vor.

Zwergponys, Zwergpapageien, Zwerghunde und „Bremen, deine Bienen“ – für den Tierfreund ist gut gesorgt. Aber was ist mit den Pflanzenfreunden? Gerade mal ein Stand bietet ökologisches Grün. „Ja, das ist schon ein bisschen enttäuschend“, sagt die Dame vom Kleingärtnerverein, die hier über Unkrautvernichtung, Kürbisrezepte und Honig aus Walle informiert. „Schließlich heißt das hier auch Garten-Messe, oder?“ Stimmt. Und Reise-Messe. Wenn es nach dieser Schau geht, dann gibt es nur noch Tourismus der sehr sanften Art. Radeln um Hannover, Kaffeesieren im höchsten Scheunenhotel Schleswig-Holsteins. Wandern im Sauerland, Zelten in Ameland – so klein ist die Welt, wenn sie ins Bremer Messezentrum kommt. Und auch in Halle 2 ist die Warenwelt noch in Ordnung. Kleinkinder patschen auf Trommeln, Nicos Apostolidis aus Hamburg verkauft Entspannungs-CDs mit dem Titel „Ich lebe gern“. Es duftet nach griechischem Bergtee und kräftigem Öko-Käse. In der Abteilung „Bewusst leben“ geht es um korrekte Produkte, aber auch um Informationen rund ums Bauen, Energie-Erzeugen, Wohnen, Erde-Schützen. „Das ist hier eine gemütliche, kleine Messe“, sagt Reinhart Hart-Plume vom „Werkhaus“. „Viel gekauft wird hier nicht, aber für uns ist das eben Werbung.“ Ein Riesen-Kaleidoskop hat er in Halle 2 aufgebaut – seine Firma sei die einzige in Europa, die gewerblich Ka-leidoskope herstellt. Ein Rentnerpärchen geht vorbei und macht Halt am Stand für schmerzfreies Sitzen. Gekauft haben sie noch nichts – „wir sind hier zum Zeit Totschlagen“, sagen sie. Rentner sind an diesem Freitag mittag viele unterwegs. Die Kuschs aus Bremen-Nord zum Beispiel. Sie stehen vor der Grill-Kota, einem Gartenhäuschen mit Feuerstelle in der Mitte. Im Preis inbegriffen sind sieben Rentierfelle, fünf Birkenholzbecher und ein „Flaschenöffnerhandy aus Finnholz“. Ist das Ehepaar interessiert? „Nein, nein“, sagt Günther Kusch, „ich hab nur so was Ähnliches zu Hause“, und zieht exakt wie in der Werbung ein verknittertes Foto aus der Brieftasche. Ein weiße Luxus-Gartenlaube ist darauf zu sehen. „Da zieh ich mich hin zurück, wenn meine Frau im Haus arbeitet“, erklärt er, und dasselbe wird er wohl dem Grill-Kota-Verkäufer erzählt haben, mit dem er wenig später ins Gespräch kommt.

Elke Heyduck