Unruhige Tage in der Spendenstadt Köln

Neue Durchsuchungen im Zusammenhang der Parteispenden. Staatsanwaltschaft beschlagnahmt Privatvermögen von Managern. CDU-Generalsekretär Meyer sieht neue Dimension von Skandal, und die Kölner CDU hält sich zurück

KÖLN taz ■ Im Kölner Spendenskandal werden täglich weitere Details bekannt. Nachdem der Müllunternehmer Hellmut Trienekens gestern zugegeben hatte, aus seinem „versteuerten Privatvermögen“ eine Großspende an die SPD entrichtet zu haben, überschlugen sich in Köln die Ereignisse: Die Staatsanwaltschaft verhängte so genannte dingliche Arreste. Einen gegen den Manager des Anlagenbauers Steinmüller, Sigfrid Michelfelder. Die Gummersbacher Firma war Generalunternehmer beim Bau der umstrittenen Kölner Müllverbrennungsanlage (MVA). Nun wird Besitz des Managers in Höhe von sieben Millionen Euro „eingefroren“, bis klar ist, ob er sich des Betrugs schuldig gemacht hat. Beim ehemaligen Geschäftsführer der Kölner Abfallverwertungsgesellschaft (AVG), Ulrich Eisermann, wurden rund vier Millionen Euro „arrestiert“. Die Beschlüsse seien allerdings nur teilweise vollstreckt worden, teilte die ermittelnde Staatsanwältin Regine Appenrodt gestern mit. Appenrodt sagte, den Beschuldigten drohten Haftstrafen von bis zu fünf Jahren. Erneut wurden gestern auch die Räume der AVG durchsucht. Die Fahnder nahmen Unterlagen zum Bau der MVA mit.

Nach der Ratssitzung am Donnerstag gestand SPD-Geschäftsführerin Marlies Herterich dem Oberbürgermeister Fritz Schrama (CDU), sie habe ein geheimes Konto gefunden. Die schwarze Kasse steht aber nicht im Zusammenhang mit Schwarzgeldzahlungen. In die Geheimschatulle, die zuerst von Exfraktionschef Klaus Heugel, dann von seinem Nachfolger, dem am Sonntag zurückgetretenen Norbert Rüther geführt wurde, zahlten Ratsmitglieder wohl freiwillig ein. Außerdem seien Zuschüsse der Stadt, die nicht ausgegeben worden sind, dort hinterlegt worden, hieß es aus der Fraktion. Deren Vizevorsitzender Heinz Lüttgen ärgert sich über seine Exkollegen: „Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich den beiden in den Arsch getreten.“ Bei manchen Genossen im Kölner Rathaus kommt erneut Wut auf ihren Exgenossen Klaus Heugel hoch. Der Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters musste 1999 wegen illegaler Aktiengeschäfte zurücktreten. Die SPD verlor dadurch nach 43 Jahren die Macht im Rathaus.

Jetzt ist das personifizierte Trauma der Kölner SPD offenbar wieder dabei. Staatsanwältin Appenrodt bestätigte, dass Heugel Aussagen zum Bau der Kölner Müllverbrennungsanlage gemacht habe: „Er wurde vorgeladen und ordnungsgemäß als Zeuge vernommen.“ Hinter den Kulissen wird bereits gemunkelt, dass wegen belastender Aussagen Heugels sein Ziehsohn Norbert Rüther bei der Staatsanwaltschaft geständig wurde und damit die SPD-Krise auslöste. Ganz so „freiwillig“ war die Selbstaufklärung der Genossen dann wohl nicht.

Gegenüber den Appellen der SPD-Führung in Berlin geben sich die kölschen Genossen erstaunlich renitent. Die von SPD-Fraktionschef Peter Struck geforderte „Ehrenerklärung“, keine falschen Spendenquittungen erhalten zu haben, wollen einige Ratsmitglieder aus Prinzip nicht abgeben.

Die CDU in Berlin wittert vor dem Hintergrund der Kölner Schmiergeldaffäre offensichtlich ihre Chance, den eigenen Skandal von 1999 kleinzureden. Generalsekretär Laurenz Meyer glaubt an eine „neue Dimension“, weil sich in Köln SPD-Mitglieder „persönlich bereichert“ hätten – mit Spendenquittungen über Beträge zwischen 500 und 5.000 Mark, die sie ohne Gegenleistung erhalten, aber als ordentliche Belege beim Finanzamt eingereicht haben.

Im Gegensatz zu Meyer hält der Kölner Bundestagsabgeordnete Volker Beck (Grüne) die Aufklärungsarbeit der SPD bislang für ordentlich. Zum Spendenskandal der CDU gebe es den entscheidenden Unterschied, dass bei der SPD ein Bezirksverband illegale Spenden angenommen habe, bei der CDU aber die Bundesführung.

Während Meyer den Skandal der SPD für den größeren hält, befürchtet die CDU in Nordrhein-Westfalen offenbar, dass auch Mitglieder ihrer Partei in die Schmiergeldaffäre verwickelt sein könnten. „Sie können nie sicher sein, dass nicht jemand auch die Regeln verletzt und sich kriminell verhält“, wand sich Herbert Reul, CDU-Generalsekretär des NRW-Landesverbands, in einem Interview mit dem WDR. Er wollte nicht ausschließen, dass einzelne Parteimitglieder im Spendensumpf stecken. SEBASTIAN SEDLMAYR

FRANK ÜBERALL