Töne aus Seide

■ Von Haydn bis Kurtag – das Kellerquartett aus Budapest

Groß war die Spannung auf das erst 1997 gegründete Zehetmair-Quartett, denn fünf Jahre sind in der Geschichte eines Streichquartett-Ensembles fast nichts. Alle großen Ensembles spielen Jahrzehnte zusammen, ehe sie sich nachhaltig an der Spitze halten können. Der Name Thomas Zehetmair garantiert Bestes – unvergessen sind seine Auftritte beim Musikfest –, aber Zehetmair wurde krank und musste das letzte Konzert der Philharmonischen Kammermusik-Reihe absagen. Dafür kam dankenswerterweise das Keller-Quartett aus Ungarn, ein Streichquartettensemble, das sich 1987 gründete und sich seit 1990 mehrfach preisgekrönt an der Weltspitze hält.

Das Kellerquartett mit András Keller und János Pilz, Violine, Zoltán Gál, Viola und Judit Szabó, Cello, bot einen Querschnitt überragender Kompositionen seit der „Erfindung“ des Streichquartetts durch Joseph Haydn. Leider machten die vier Ungarn einen ebenso verbreiteten wie offensichtlich unausrottbaren Fehler: Sie nahmen ein Streichquartett von Joseph Haydn als Einspielungstück. Dazu ist Haydn zu schwer, und das hat er kompositionsgeschichtlich nicht verdient. András Keller fuhr hier auf fast romantische Weise den Primarius heraus, grob und vordergründig alles andere.

Schwamm drüber, denn nicht weniger als hinreißend ausgehorcht und aufeinander abgestimmt klang das g-Moll-Quartett von Claude Debussy, sein einziges. Hier stimmte alles: das traumwandlerisch sichere Verständnis untereinander, das gemeinsame Atmen, fahle Farben voller Immaterialität, herausbrechende virtuose Partikel... Das kann man nicht besser machen und das merkte auch das Publikum.

Der ungarische Komponist György Kurtág, der es erst mit über sechzig Jahren geschafft hat, sich in die internationale KomponistInnen-Szene einzuklinken, hat für den „Ton“ von András Keller viel geschrieben. Die 1977 entstandenen „12 Mikroludien für Streichquartett – Hommage à Mihàly András“ sind ein beispielhaftes Werk für den Kosmos von Kurtág, der, einmal gefragt, was Musik sei, gesagt hat: „Etwas spricht und etwas antwortet“. Die Budapester spielten die Miniaturen mit horchender und höchster Intensität.

Auch Béla Bartóks viertes, 1928 entstandenes Streichquartett mit seinem berühmten Pizzikato-Satz spielten die Ungarn mit beißender Suggestion – fast ein bisschen zu perfekt. Über welches Maß an Klangnuancen András Keller und seine Mannschaft verfügen, zeigten sie in einem fast zweieinhalbstündigen Konzert mit einer Zugabe wiederum von Haydn, dem Serenadenquartett – diesmal Töne aus Seide. Verdiente Ovationen für die Ungarn. Ute Schalz-Laurenze