„Ich bin hundert Prozent Feminismus, ey“

Alice Schwarzer trifft Aziza A: Oma erzählt vom Krieg. Eine Imageberatung im Gegenzug lehnt die Generation „Lila“ ab

BERLIN taz ■ Da trafen die richtigen Exemplare der beiden Geschlechter aufeinander: Nachdem Alice Schwarzer, Aziza A. und weitere Vertreterinnen der Generationen „Lila“ und „Handy“ pünktlich zum 8. März das Gespräch unter Frauen gepflegt hatten, wäre es komisch gewesen, wenn nicht wenigstens ein männlicher Wichtigtuer das Wort ergriffen hätte. 700 Frauen, die meisten eher der Generation „Lila“ entstammend, und vielleicht zehn Männer hatten auf Einladung der Friedrich-Ebert-Stiftung der mit „Lila trifft Handy“ betitelten Diskussion gelauscht. Da drängte es den jungen Mann offenbar sehr: „Es macht viel mehr Spaß, sich mit der Generation Handy zu unterhalten“, bekannte er – alles andere wäre für sein Alter auch extrem merkwürdig gewesen. Aber da tobte schon der Saal, Pfiffe, Buhrufe, und Alice Schwarzer erkannte messerscharf: „Das ist ein klassischer Spaltungsversuch.“

Dazu allerdings wäre der Mann gar nicht nötig gewesen, die Spaltung war schon vorher da. Da redeten Exjustizsenatorin Lore-Maria Peschel-Gutzeit aus Hamburg, die als Alleinerziehende mit drei Kindern Karriere gemacht hat, Frauenministerin Christine Bergmann und Alice Schwarzer über alte Zeiten und Geschlechterkampf. Die Jüngeren – neben der Rapperin Aziza A. noch Dana Lüddemann von der BundesschülerInnenvertretung und Marianne Wellershoff vom Spiegel, die ein Buch über den weiblichen Generationenkonflikt verfasst hat – hörten brav zu. Sie sagten „krass“, als sie hörten, dass Ehemänner erst seit 1976 nicht mehr die Arbeitsverhältnisse ihrer Frauen kündigen dürfen, und waren ansonsten, wie die junge Generation eben so ist. „Ich bin 100 Prozent Feminismus, ey“, sagte Aziza A. Um gleich danach zuzugeben, dass man schon aufpassen müsse: „Man trottet da so mit und merkt oft erst hinterher, dass man diskriminiert wurde.“ Dana Lüddemann pflichtet bei: Die ollen Klischees in den Schulbüchern seien nach wie vor da, und immer noch müsse sie sich fragen lassen, warum sie als Mädchen Mathe-Leistungskurs gewählt habe.

Alice Schwarzer ist alarmiert: Erstens von den Klischees, die über ihre Generation und den Feminismus verbreitet würden. Zweitens davon, dass die junge Generation immer noch so schlimme Dinge berichtet. Und drittens davon, dass manche so tun, „als wäre alles paletti: Das ist ein furchtbarer Verrat“. Doch ihre Rede über Männergewalt als Kern des patriarchalen Herrschaftsverhältnisses fand ebenso wenig Widerhall wie die Warnung, dass jede Frauengeneration wieder „ganz von vorne anfangen müsse“, wenn sie sich nicht mit den Älteren verbünde.

Über Gewaltopfer zu reden ist den Jungen tatsächlich denkbar fremd. Mit Opfern identifiziert man sich heutzutage einfach nicht mehr. Und die „Männermedien“ (Schwarzer) müsse man nur geschickt zu nutzen wissen, meinte Marianne Wellershoff vom Spiegel – als ob sie nicht besser wüsste, wer die Themen in den Medien setzt.

Das Problembewusstsein, soviel wurde klar, ist durchaus vorhanden bei der Jugend. Nur: was folgt daraus? Sie werde auf keinen Fall „nur eine Brust zum Saugen“ werden, präzisiert Aziza A. ihr feministisches Ideal. Mehr als Individualpolitik ist von dieser Generation nicht zu erwarten – vielleicht merkt die Generation „Lila“ eines Tages, dass das gar nicht so wenig ist.

HEIDE OESTREICH