„Das ganz Neue ist vorbei“

Friedrich-Leopold von Stechow, neuer Chef der Marketinggesellschaft Partner für Berlin, glaubt, dass die Hauptstadt trotz Haushaltspleite für Investoren attraktiv ist. Statt als „Schaustelle“ will er Berlin künftig als Ost-West-Schnittstelle vermarkten

Interview PHILIPP GESSLER

taz: Herr von Stechow, ist es schwierig, eine Pleitestadt zu bewerben?

Friedrich-Leopold von Stechow: Nein. International gesehen, weiß kaum jemand, dass Berlin Schwierigkeiten mit dem Haushalt hat. Ich kenne auch nicht die Haushalte beispielsweise von New York, Madrid oder Rom. Ausländische Investoren interessiert das nicht.

Aber national gesehen hat die Pleite doch negative Auswirkungen?

Sicherlich. Die Haushaltsschwierigkeiten bedeuten natürlich, dass das Land nicht in der Lage ist, per Füllhorn den Investoren den Weg zu ebnen.

Aber so etwas wirkt doch nach?

So etwas wirkt im Haushalt nach. Und so etwas wirkt auf die Menschen nach. Aber ich glaube, den Investoren ist das in erster Linie nicht wichtig.

Sie verkaufen das Image Berlins. Ist es nicht in letzter Zeit stark ramponiert worden?

Wie gesagt: Das hat international keine Auswirkungen. Ein Unternehmer ist jemand, der nach vorn schaut.

In der Tourismusbranche gewinnt man den Eindruck, dass der Berlin-Hype vorbei ist.

Das so genannte ganz Neue ist erst einmal vorbei. Aber die Leute sind trotzdem weiterhin fasziniert von Berlin und finden die Stadt atemberaubend. Innerhalb Deutschlands ist Berlin das beliebteste Reiseziel.

Ist nach der Aufregung durch den Regierungsumzug in der Art und Weise, wie man die Hauptstadt sieht, nun Normalität eingezogen?

Wenn Sie etwa die Kölner vor zehn Jahren zur „Hauptstadt Berlin“ befragt hätten, wären die eher skeptisch gewesen. Oder nehmen Sie die Bonner, für die der Umzug und die Berlin-Ansiedlung von Verbänden und Institutionen einen Bedeutungsverlust nach sich zog. Doch jetzt sind wir auf einem guten Weg, dass Berlin als Hauptstadt gesehen wird. Da helfen wir gern dabei.

Volker Hassemer hat durch seine Person und sein Engagement Partner für Berlin sechs Jahre lang geprägt. Welche Schwerpunkte werden Sie als sein Nachfolger setzen?

Künftig wollen wir uns noch mehr an den Interessen unserer Berlin-Partner ortientieren. Wir geben den Partnern im Rahmen unserer Hauptstadtmarketing-Funktion bei einer ganzen Reihe von Kampagnen und Auftritten die Möglichkeit, sich selbst darzustellen. Osteuropa ist ein ganz wesentliches Feld der Betätigung, auch und besonders für Berliner Firmen und solche aus der Region. Wichtige Themen sind auch Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung.

Funktioniert aus Ihrer Sicht das Berliner Sprungbrett für den mittel- und osteuropäischen Markt?

Bisher ist die Sprunghöhe nicht so hoch geworden, wie wir geglaubt hatten – auch weil Berlin sehr mit sich selbst beschäftigt war.

Es gibt nicht einmal anständige Verkehrsverbindungen etwa nach Danzig.

Da brauchen wir gar nicht so weit zu gehen. Wir haben ja noch nicht einen Großflughafen in Berlin. Das bleibt ein Thema. Zugleich ist der polnische Markt für deutsche Firmen sehr attraktiv geworden. Leider sind viele Investitionen nicht von Berlin ausgegangen. Mein Bestreben wäre, die Mittelständler an die Hand zu nehmen. Für den Mittelstand hat der Markt noch nicht gegriffen. Hier wollen wir ansetzen – gemeinsam mit den anderen Marketinggesellschaften.

Noch einmal zum Infrastrukturprojekt Flughafen. Von Berlin aus kann man heute nicht einmal direkt nach New York fliegen. Haben Sie denn überhaupt noch Hoffnung, dass es einen Großflughafen Berlin-Brandenburg geben wird?

Dazu gibt es überhaupt keine Alternative.

Und wer soll ihn bezahlen?

Das wird wohl im Vorfeld wie immer die öffentliche Hand machen müssen. Anschließend könnte der Flughafen privatisiert werden. Es muss eine Lösung geben, sonst kommt Warschau noch auf die Idee und baut eine Magnetbahn nach Berlin.

Berlin hat trotz allem ein ärmliches Image. Selbst dem Finanzsenator fallen nur die Trainingsanzüge ein, wenn er spontan an die Stadt denkt. Ist dieses Bild ein Problem für Partner für Berlin?

Wenn alle Neuköllner Trainingsanzüge tragen wollen, wäre das doch für einen Textilkonzern die Riesenchance, dort bald Anzüge verkaufen zu können. Spaß beiseite. Es ist richtig. Wir sind auf einem Niveau, das vielfach reduziert ist. Aber das kann sich ändern. Deutschland wird von einem Aufschwung, der kommen muss, profitieren – und davon profitiert selbstverständlich auch Berlin.

Ist für den Mittelstand ein Wirtschaftssenator von der PDS ein Problem?

Die Art und Weise, wie engagiert Herr Gysi die Probleme angeht, ist wichtig. Er ist ‚on the spot‘, er redet mit den Leuten. Die Verwunderung der Menschen, dass das so ist, hat ebenfalls einen positiven Effekt. Ausschlaggebend ist schließlich, dass die Investoren künftig hier in Berlin eine Rendite erwarten können. Das Argument, dass Firmen wegen Herrn Gysi Berlin verlassen würden, kann ich überhaupt nicht verstehen. Unternehmer orientieren sich am Markt und nicht an einem Senator.

Die Fusion Berlin-Brandenburg soll Standortvorteile bringen – wann wird sie endlich verwirklicht?

Die Fusion wird in den nächsten Jahren kommen. Wir selbst sind in Gesprächen mit der Zukunftsagentur Brandenburg (ZAB), mit dem Ziel, uns mit dem Umland zu koordinieren. Wir brauchen das Umland, Berlin und Brandenburg gehören zusammen.

Brandenburg wird von Firmen gemieden, weil sie negative Reaktionen gegenüber ihren ausländischen Mitarbeitern befürchten. Haben Sie ähnliche Reaktionen in Berlin erlebt?

Ich kenne keine. Und ich bin sicher, dass das kein Thema wird.

Haben Sie ein Schlagwort im Kopf, wie man beispielweise in Fortsetzung von „Schaustelle Berlin“ die Stadt zukünftig beschreiben könnte?

Einen Slogan gibt es noch nicht. Aber das Wort „neu“ wird er nicht beinhalten. Neu sind wir schon seit über zehn Jahren. Vielleicht geht es in die Richtung, dass wir die einzige Hauptstadt der Welt sind, die eine Ost- und Westhauptstadt vereint.

Ost meets West?

Das ist der wesentliche Punkt.

Die Gretchenfrage zum Schluss: Welche ist die schönste Stadt Deutschlands?

Das ist sehr subjektiv. Ich bin vor zwei Jahren von Frankfurt am Main nach Berlin gekommen und fühle mich hier sehr wohl. Wir sind in Berlin auf einem guten Weg. Wir müssen nur anders damit umgehen: Warum wird etwa jetzt geschrieben „Berlin hat die meisten Schlaglöcher“ – statt zu schreiben: „Die Berliner fahren am besten um die Löcher herum.“