Finanzfight der Stadtstaaten

Wirtschaftsforscher haben Berlin und Hamburg verglichen: Berlin zahlt zu viel für die Verwaltung der Verwaltung, Polizei und Altlasten im Wohnungsbau. Kaum Unterschiede bei Bildung und Sozialhilfe

von RICHARD ROTHER

Was macht Hamburger besser als Berliner: ihr Bier, ihr Humor, ihr Wetter? Wenn es um die Haushaltsprobleme Berlins geht, wird immer wieder Hamburg erwähnt. Nicht ohne Grund: Der Stadtstaat an der Elbe ist noch am ehesten mit dem an der Spree vergleichbar, obwohl sich Hamburg historisch ganz anders als die beiden Berliner Stadthälften in Ost und West entwickeln konnte. So ist die Wirtschaftskraft Hamburg wesentlich höher als die Berlins, pro Einwohner hat Hamburg rund doppelt so hohe Steuereinnahmen.

Haushaltstechnisch gesehen macht dies aber keinen großen Unterschied, da das finanzschwache Berlin vom Länderfinanzausgleich und Bundeszuweisungen profitiert. Mit 5.210 Euro je Einwohner sind die jährlichen Einnahmen Berlins (ohne Erlöse aus Vermögensverkäufen) nur wenig niedriger als die Hamburgs. Die Probleme Berlins lägen daher primär nicht auf der Einnahmeseite, analysiert das Dahlemer Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Mit einer ähnlichen Einschätzung hatte jüngst Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) für Unmut in Berlin gesorgt.

Dennoch dürfe man diesen Umstand nicht nur „finanzbürokratisch“ betrachten, betont DIW-Chef Klaus Zimmermann. Zudem müssten wirtschaftlich florierende Regionen weniger für Sozialleistungen ausgeben. Mittel, die für Infrastruktur- und andere Projekte ausgegeben werden könnten. Daher lohnt es sich, den Blick vor allem auf die Ausgaben und die Struktur des öffentlichen Dienstes beider Stadtstadten zu werfen. Eine detaillierte Analyse hat das DIW in seinem jüngsten Wochenbericht vorgelegt, die Grundlage der folgenden Auflistung ist.

Gesamtausgaben

Mit 6.168 Euro je Einwohner gibt Berlin 8 Prozent mehr aus als Hamburg. Wichtiger Grund sind hier die höheren Kosten für das Personal im öffentlichen Dienst, die auf eine größer dimensionierte Verwaltung zurückzuführen sind.

Besondere Lasten: Berlin trägt Hauptstadtlasten, die auf 320 Millionen Euro jährlich beziffert werden. Aber auch Hamburg steckt 190 Millionen Euro in den großen Überseehafen.

Wirtschaft

Sozialer Wohnungsbau: Der dickste Brocken: Berlin trägt jährlich 1,3 Milliarden Euro an Lasten aus dem sozialen Wohnungsbau, rund 5-mal mehr als Hamburg. Der Grund ist in der Insellage des ehemaligen Westberlins zu suchen. Vor dem Fall der Mauer wurden in Westberlin viele Sozialwohnungen gebaut. Die Mieteinnahmen konnten aber die Investionen nicht decken, auch weil die Baukosten höher als im Bundesdurchschnitt waren. Die Fehlbeträge müssen in Form von Zinszuschüssen an die Bauherren noch über Jahrzehnte ausgeglichen werden.

Bankgesellschaft: Rund 300 Millionen Euro sollen demnächst jährlich in die so genannte Risikoabschirmung der Bankgesellschaft fließen. Etwas Vergleichbares gibt es in Hamburg nicht. Während Berlin bei den Altrisiken des teilungsbedingten Wohnungsbaus möglicherweise auf Bundeshilfen zur Entschuldung rechnen kann, werden die Sünden der Bankgesellschaft allen Bürgern Berlins aufgebürdet werden. Eine Folge wird die Einschränkung öffentlicher Leistungen sein, zum Beispiel die Schließung von Schwimmbädern.

Investitionen: Berlin gibt nur noch 130 Euro jährlich je Einwohner für Bauten und Ausrüstungen aus – etwa die Instandhaltung der Straßen; in Hamburg sind es 340 Euro. Die Berliner Ausgaben reichen nicht mehr aus, um die Substanz zu sichern. Mit anderen Worten: Berlin verfällt. Nach einer Analyse des DIW-Haushaltsexperten Dieter Vesper wird in Berlin im Jahr 2005 das staatliches Infrastrukturkapital pro Kopf der Bevölkerung um 20 Prozent niedriger liegen als in Hamburg.

Soziales

Sozialhilfe: Ein großer Posten in jedem kommunalen Budget. 1,8 Milliarden Euro gibt Berlin für die Ärmsten seiner Armen jährlich aus. In beiden Städten ist die Sozialhilfedichte besonders hoch. Von 1.000 Einwohnern leben in Berlin 79 Menschen von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt, in Hamburg sind es 70 (zum Vergleich: in München sind es 37, im Bundesdurchschnitt 33). Je Empfänger werden in Berlin 3.568 Euro gewährt, in Hamburg sind es 3.750 Euro. Dies dürfte auch an den teureren Mieten in Hamburg liegen, die das Sozialamt übernimmt. Auch bezogen auf die Zahl der Einwohner weist Hamburg höhere Sozialhilfleistungen als Berlin aus.

Wohngeld: Berlin zahlt pro Einwohner 78 Euro jährlich an Wohngeld, an der Alster sind es 86 Euro.

Asylbewerber: Je Einwohner gibt Berlin jährlich 53 Euro für Asylbewerber aus, in Hamburg sind es 43 Euro.

Jugendhilfe: Mit 472 Euro jährlich je Einwohner sind die Berliner Ausgaben hier deutlich höher als die Hamburgs (300 Euro). Dies dürfte an der höheren Zahl der Klienten liegen.

Personal

Allgemeine Verwaltung: Nach Ansicht des DIW-Haushaltsexperten sind in Berlin – quer durch alle Ressorts und Behörden – 20.000 mehr Personenen allein mit der Verwaltung der Verwaltung beschäftigt, als dies ein Vergleich mit Hamburg ratsam erscheinen lässt. Ins Auge stächen vor allem Sozialverwaltung, Bauverwaltung, Bildungsverwaltung und Polizei.

Polizei: Berlin leistete sich im Jahr 2.000 rund 26.700 Polizisten, Hamburg hingegen nur rund 9.000. Je tausend Einwohner waren in Berlin 7,9 Polizisten unterwegs, in Hamburg aber nur 5,3; rein rechnerisch leistet sich Berlin damit fast 50 Prozent mehr Polizei. Trotz der massiven Besserausstattung reduzierte Berlin die Zahl seiner Polizisten nicht wesentlich schneller als Hamburg: Im Vergleich zu 1995 sank die Anzahl der Polizisten in Berlin um rund 8 Prozent, in Hamburg um 6 Prozent.

Soziale Sicherung: In diesem Bereich sind in Berlin 8,2 Menschen je 1.000 Einwohner tätig, in Hamburg sind es nur 2,6. Dieser deutliche Unterschied liegt unter anderem daran, dass die meisten Kindergarten in Berlin in öffentlicher Trägerschaft geführt werden, während der Anteil privater Träger in Hamburg deutlich höher ist. Gemessen an der Betreuungsintensität der Kinder ergibt sich in Berlin jedoch keine keine Besserstellung.

Bildung

Schule und Hochschule: Arbeiten 11,2 Berliner je 1.000 Einwohner im Schulbereich, so sind es in Hamburg 9,9. Bei den Hochschulen beträgt das Zahlenverhältnis 4,7 : 3,5. In diesem Bereich sei ein Bezug zur Einwohnerzahl aber wenig sinnvoll, sagt DIW-Mann Vesper. Gemessen an den erteilten Wochunterrichtsstunden je Schüler, den Schüler-Lehrer-Relationen oder den laufenden Ausgaben je Studierenden lasse sich für Berlin keine Besserstellung nachweisen. Berlin weist mit 39 Studenten je tausend Einwohner auch keine höhere Studentendichte auf als Hamburg (37 Studenten). In Berlin wird allerdings der teure Studiengang Medizin überdurchschnittlich oft angeboten.

Unikliniken: 4,1 Berliner je tausend Einwohner arbeiten in den Hochschulkliniken der Stadt, in Hamburg sind es 3,1.

Fazit

Aufgrund dieser Zahlen fordert auch das ansonsten eher nachfrageorientierte DIW, die „rigorose Konsolidierungspolitik fortzusetzen“. Der strikte Sparkurs muss nach Ansicht des DIW eingehalten werden, obwohl er die regionale Nachfrageentwicklung erheblich dämpft. In zukunftsfähigen Bereichen wie Bildung, Wissenschaft und Kultur dürfe jedoch nicht weiter gekürzt werden; die Mittel müssten jedoch effizienter als bislang eingesetzt werden. Groß sei das Sparpotenzial in der öffentlichen Verwaltung.