Zwölf Namen in Stein

■ Heute wird in Borstel an von Nazis ermordete Kinder erinnert

Es geht um zwölf Namen. Namen von Mädchen und Jungen, die 1944 unter einer Hecke auf dem Friedhof der Evangelischen Kirchengemeinde St. Nikolai in Jork-Borstel im Alten Land, beigesetzt worden sind. Heimlich verscharrt und schnell vergessen. Nach fast 58 Jahren wird heute in der Gemeinde des Landkreises Stade ein Mahnmal zum Gedenken an die verstorbenen Kinder von NS-Zwangsarbeiterinnen auf dem Friedhof zu Borstel errichtet.

Gegen 17 Uhr beginnt heute die vom Landkreis Stade, der Gemeinde Jork und der Kirchengemeinde ausgerichtete Veranstaltung, anschließend berichtet die Völkerkundlerin Heike Schlichting über die Schicksale der Kinder.

Erst Mitte letzten Jahres hatte eine Zeitzeugin Schlichting, die beim Stader Projekt „Alltag im Nationalsozialismus“ arbeitet, berichtet, das auf dem Friedhof „Kinder in Pappkartons verscharrt“ wurden. Von „beerdigen“ mochte die alte Frau nicht sprechen, die um keine „Scherereien zu bekommen“, ihren Namen nicht veröffentlicht wissen wollte. Das könne nicht sein, meinte zunächst Pastor Klaus Hellweg von der Kirchengemeinde St. Nikolai, denn im Sterbebuch der Kirche finde sich kein Hinweis, das hier Kinder beigesetzt worden seien. Tatsächlich ungewöhnlich, meinte Schlichting, schließlich fänden sich in den Sterbebüchern der anderen Kirchen Hinweise. Die Aussagen der ZeitzeugInnen würden sich aber „mit den Angaben aus den Melde- und Sterberegistern des Landkreises decken“. Nach einiger Diskussion entschied sich dann auch die Kirchengemeinde für ein Mahnmal. Ab 1944 unterhielt der Landkreis in dem Arbeitshaus der nicht mehr betriebenen Ziegelei Wehrt die „Fremdvölkische Kinderpflegestätte Jork-Borstel“. Zwischen Juli 1944 und Januar 1945 starben dort die zwölf Kinder von osteuropäischen Zwangsarbeiterinnen. „Unmittelbar nach der Geburt“, erklärt Schlichting, „wurden die Kinder ihren Mütter weggenommen und nicht mehr versorgt.“

Außer in Jork-Borstel führte der Landkreis von 1943 bis 1945 auch in Balje-Hörne, Drochtersen-Nin-dorf und Fredenbeck Entbindungs- und Kinderheime. „Laut den Meldeunterlagen sind 153 Kinder in den Heimen geboren worden, von denen nachweislich 63 an Unterernährung starben“, erläutert Schlichting. Die Aufsicht unterlag einer deutschen Kreisangestellten. Aber in den Heimen mussten auch Zwangsarbeiterinnen Dienst tun. Einige von ihnen hatten dort selbst entbunden und sahen ihre Kinder sterben. „Die meisten Kinder starben nach 14 Tagen einen qualvollen Tod“, führt Schlichting an.

Die Gemeinden Balje-Hörne und Drochtersen-Nindorf haben bereits Mahnmale für diese NS-Ofper errichtet. Allein in Fredenbeck hat sich die Gemeinde bisher nicht durchgerungen. „Aber“, so Schlichting, „die Entscheidung kann ja noch folgen.“ Andreas Speit