VOM KÖLNER SKANDAL WIRD IM WAHLKAMPF KEINER PROFITIEREN
: Ekel ohne Folgen

Es gibt einen Skandal, und niemand interessiert sich besonders dafür. Gemessen an der Aufregung über die CDU-Finanzaffäre hält sich die Empörung der politischen Konkurrenz über den sozialdemokratischen Filz am Rhein in Grenzen. Bei manchen Oppositionspolitikern mag in diesem Zusammenhang die Sorge eine Rolle spielen, ein Parteifreund könne ebenfalls Dreck am Stecken haben. Da empfiehlt es sich bekanntlich nicht, ein allzu hohes Ross mit entsprechender Fallhöhe zu besteigen. SPD-Generalsekretär Franz Müntefering könnte in diesem Zusammenhang manches erzählen.

Aber der wichtigste Grund für die auffallende Zurückhaltung aller Parteien gegenüber der Kölner Affäre ist ein anderer: Der Skandal lässt sich im Wahlkampf nur schwer über das bisherige Maß hinaus nutzen. Die CDU hat schon jetzt mehr erreicht, als sie jemals hoffen konnte – dass sich nämlich ihr eigener Skandal nicht mehr als Wahlkampfthema für die Sozialdemokraten anbietet. Vier Finger weisen auf den zurück, der auf andere zeigt: Das gilt inzwischen eben auch für die SPD.

Und die kleineren Parteien? Denen unterstellt ohnehin niemand eine vergleichbare Verstrickung in düstere Geschäfte wie den großen. Es sei dahingestellt, ob das auf höhere Moral oder einfach auf einen Mangel an Gelegenheit zurückzuführen ist. Fest steht, dass die Kleinen nicht allein wegen schwerer Verfehlungen der Großen gewählt werden. Sie sprechen eine jeweils spezifische Klientel an und sind deshalb ungeeignet, einem allgemeinen Gefühl, die „da oben“ machten eben doch, was sie wollten, messbaren Ausdruck zu verleihen. Daher können auch sie von einem Affären-Wahlkampf kaum profitieren.

Manche meinen, allein die Aufklärung von Skandalen zeugte bereits von der Funktionsfähigkeit des demokratischen Systems. Das ist eine allzu optimistische Sicht der Dinge, gegen die sowohl die Zahl als auch die Bedeutung der Affären spricht. Und die Tatsache, dass die Bevölkerung inzwischen keine Möglichkeit mehr hat, allein durch Stimmabgabe ihren Ekel gegenüber derlei Praktiken zu dokumentieren. BETTINA GAUS