Verbraucherschutz tippelt voran

Im zweiten Anlauf billigt Kabinett Verbraucherinformationsgesetz. Ministerin Renate Künast spricht von „realitätstauglichem Entwurf“, während Verbraucherschutzverbände ihn als unzureichend kritisieren. Keine Auskunftspflicht für Unternehmen

von SUSANNE AMANN

Die Kritik hatte Renate Künast (Grüne) vorausgesehen: „Ich bin erst seit eineinhalb Jahren im Amt, lassen Sie mir doch auch noch was für die nächsten ein, zwei Jahre zu tun“, sagte die Verbraucherschutzministerin, als sie den gestern vom Kabinett beschlossenen Gesetzentwurf zum neuen Verbraucherinformationsgesetz vorstellte. Der hatte schon im Vorfeld für Kritik vor allem von Seiten der Verbraucherschutzverbände gesorgt. Gleichzeitig beschloss das Kabinett die Einrichtung eines Bundesamtes für Risikobewertung. Hier sollen Produkte unabhängig von politischen oder wirtschaftlichen Interessen untersucht und bewertet werden.

Mit dem geplanten Verbraucherinformationsgesetz, das ab Ende Mai im Bundesrat diskutiert werden wird, bekommen Privatpersonen erstmals ein Auskunftsanspruch gegenüber Behörden. Damit erleichtert es Verbrauchern den Zugang zu amtlichen Informationen über Lebensmittel und so genannte Bedarfsgegenstände. Gleichzeitig schafft das geplante Gesetz die Rechtsgrundlage, die es Behörden erlaubt, bei Gefahren für den Verbraucher vor bestimmten Produkten zu warnen. „Das ist ein großer Schritt für die Verbraucher“, sagte Künast gestern und betonte, dass dem Gesetz ein neues Denken zu Grunde liege. „Der Staat will nichts mehr verschweigen, sondern soll Dienstleister für den einzelnen Bürger sein.“

Künast räumte allerdings ein, dass die ursprünglich geplante Auskunftspflicht für Unternehmen in dem neuen Gesetzentwurf nicht enthalten sei. Der erste Entwurf war von Wirtschaftsverbänden heftig kritisiert worden, die Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse durch einen unzureichend definierten Informationsanspruch gefährdet sahen. „Wir werden das Coca-Cola-Geheimnis nicht offenbaren“, wies Künast diese Kritik zurück. Die Entscheidung, die Auskunftspflicht zu Gunsten einer freiwilligen Selbstverpflichtung der Unternehmen aufzugeben, war schon letzte Woche im Kanzleramt gefallen.

Kritik an dem jetzt vorgelegten Entwurf kommt vor allem aus den Reihen der Verbraucherschützer. Vom „großen Scheitern“ sprach gestern Carel Mohn, Sprecher des Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). „Frau Künast ist weit gesprungen und kurz gelandet“, so Mohn gegenüber der taz. Die dem Verbraucher versprochene Wahlfreiheit bei Produkten sei mit dem Verzicht auf die Auskunftspflicht der Unternehmen nur teilweise gelungen. Der vzbv hatte schon am Dienstag davor gewarnt, sich auf die Selbstverpflichtung der Unternehmen zu verlassen. Diese hätten bereits jetzt jede Gelegenheit gehabt, Transparenz und Offenheit unter Beweis zu stellen. Tatsache sei jedoch, dass die überwiegende Mehrheit „mauert, wenn Verbraucher kritische Fragen stellen“.

Ministerin Künast sieht die Kritik gelassen. „Was nützt mir der schönste Gesetzentwurf, wenn er nicht das Licht der Welt erblickt“, sagte sie gestern. Sie habe einen sehr „realitätstauglichen“ Entwurf vorgelegt, der die Tür zu einem offenen und kundenorientierten Verbraucherschutz überhaupt erst öffne. Und dass die nächsten Schritte bald kommen, hält Künast für sicher. Denn die Bundesregierung muss bis spätestens Januar 2004 eine EU-Richtlinie zur Produktsicherheit umsetzen. Und die schreibt unter anderem den Zugang der Öffentlichkeit zu Produktinformationen zwingend vor.

kommentar SEITE 12