Schaulaufen auf der Cebit

Auf der weltgrößten Computermesse macht Bundeskanzler Schröder Aufbruchstimmung aus, während sein Kontrahent Stoiber keinen Konjunkturaufschwung erkennen kann

HANNOVER taz ■ Stets lächelnd und zum Scherzen aufgelegt hat Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) gestern drei Stunden lang, umringt von Reportern, die größte Messe der Welt besucht und dabei vor allem den Aufschwung verkündet. Ganz anders als etwa der Kanzlerkandidat der CDU/CSU, Edmund Stoiber, der bei seinem Rundgang keine Gelegenheit verstreichen ließ, die Wirtschaftspolitik der rot-grünen Bundesregierung zu kritisieren. Er könne keinen Wirtschaftsaufschwung erkennen, sagte er wiederholt.

Schröder inspizierte vierzehn Stände von Firmen und öffentlichen Einrichtungen. Während der zweiten Hälfte der Tour über das hannoversche Messegelände hatte er seine Gattin Doris Schröder-Köpf dabei, warb mit ihr für ein von der IT-Branche gesponsertes Sorgentelefon für Kinder und Jugendliche und versprach nach den Schulen nun auch einzelnen Schulklassen, einen Internetanschluss zu verschaffen.

Am meisten lag dem Kanzler allerdings die Werbung für den von ihm erwarteten Wirtschaftsaufschwung am Herzen. Auf der Computermesse werde „Aufbruchstimmung deutlich“, erklärte er. Diese Stimmung betreffe nicht nur die IT-Branche selbst, sondern „die Wirtschaft insgesamt“. „Insofern ist der Optimismus gerechtfertigt“, stellte Schröder dem Wirtschaftsklima und damit auch der eigenen Politik eine gute Note aus. Schon bei der Eröffnung der weltgrößten Messe am Dienstagabend hatte er die Cebit zu einen „Signal der allgemeinen Zuversicht und des Aufbruchs“ erklärt.

In der Branche selbst war in Hannover allerdings von der beschworen Aufbruchstimmung wenig zu spüren. Sie leidet weiter unter den zerstobenen Träumen der New Economy. Auch die große technische Neuerung, die sich zwangsläufig zu einem weiteren Massenprodukt entwickeln würde, ist nicht in Sicht. Zwar präsentiert Deutschlands drittgrößter Mobilfunker E-Plus seinen neuen Standard i-mode, der in Japan bereits sehr erfolgreich ist und mit dem man rund 500 verschiedenen bunte Seiten aufs Handy-Display laden kann.

Die übrigen Mobilfunker geben sich allerdings beim Fortschritt weiter zögerlich, der neue bunte Standard UMTS kommt erst zum Jahreswechsel. Mit den rund 250 Euro teuren i-mode-Handys, die noch ohne das UMTS-Netz auskommen, kann man e-mailen, auf den Seiten der Bahn das komplette Kursbuch durchstöbern oder sich auch Waren im Versandhaus bestellen. Allerdings ist das Ganze eine durchaus teure Angelegenheit, bei der sich die Frage des Preis-Leistungs-Verhältnisses aufdrängt: Zahlen wird der Kunde, der ab Samstag bei E-Plus die entsprechenden Spezialhandys erwerben kann, nicht mehr für die Dauer des Telefongesprächs, sondern für die empfangene Datenmenge: jeweils einen Cent pro Kilobyte. Weitere Kosten werden für Grundgebühr und das Aufrufen kommerzieller Dienste fällig, die sich auf rund der Hälfte der angebotenen 500 Seiten finden. Die anderen Mobilfunkunternehmen müssen erst ihre UMTS-Netze spannen, bevor sie ähnlich bunte Seiten auf die Handys ihrer Kunden schicken können.

Telekom-Chef Ron Sommer will bis zum Jahresende „in rund 20 deutschen Städten UMTS-Netze aufgebaut haben“. Vodafone D2 will sich nach eigenen Angaben nicht abhängen lassen, schließt aber eine Verschiebung des UMTS-Starts ins kommende Jahr nicht aus. Die Deutsche Telekom überreichte Bundeskanzler Schröder und wenige Stunden später Stoiber das gleiche Geschenk: ein Fan-Trikot des FC Bayern München, dessen Hauptsponsor die Firma von Ron Sommer ist. Das entsprach dem Gesamtcharakter der Rundgänge, bei denen es nur um eines ging: um Werbung. JÜRGEN VOGES