Amerikanisches Manöver

Die eindringlichen Appelle und Resolutionen der UNO sollen dem US-Sonderermittler den Weg ebnen – Ziel ist eine Feuerpause

aus Washington MICHAEL STRECK

Neuen Schwung für die kommende Friedensmission von Sonderermittler Anthony Zinni verspricht sich der amerikanische UN-Botschafter John Negroponte von der jüngsten UNO-Resolution (siehe Kasten). Kein Wunder, greift die Erklärung doch die Vision eines eigenen Palästinenserstaates auf, wie sie bereits von US-Präsident George W. Bush und Außenminister Colin Powell skizziert wurde.

UN-Generalsekretär Annan hatte die „oft völlige Missachtung des Lebens von Zivilisten“ auf beiden Seiten beklagt und zur Kooperation mit US-Vermittler Anthony Zinni aufgerufen. UN-Botschafter John D. Negroponte begrüßte im Namen der Bush-Regierung die Äußerungen von Annan. „Wir glauben, dass sie eine faire Beschreibung der aktuellen Situation im Nahen Osten darstellen.“

Negroponte soll dem Sicherheitsrat zudem die Idee übermittelt haben, dass Vermittler Zinni während seiner Mission vorschlagen könnte, US-Personal in der Krisenregion zu stationieren, damit ein möglicher Waffenstillstand überwacht werden sollte.

Ziel der Zinni-Reise sei es, eine Feuerpause auf der Grundlage der Empfehlungen von CIA-Direktor George J. Tenet und des ehemaligen Senators George Mitchell vom vergangenen Juni zu erreichen. Negroponte betonte, dass die USA bereit seien, an politischen Vermittlungsgesprächen teilzunehmen, wenn es beide Konfliktparteien wünschten.

US-Vizepräsident Dick Cheney sagte unterdessen auf seiner Nahostreise, die USA würden alles tun, um ein Ende der Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern zu erreichen. Das Thema Irak tauchte bei seinem ersten Stopp in Jordanien vorerst nur am Rande auf. Die Bush-Regierung ist offenbar bemüht, den Eindruck vor allem in der arabischem Welt auszuräumen, falsche Prioritäten zu setzen und sich nicht energisch genug für ein Ende des Blutvergießens im Nahen Osten zu engagieren.

Es könnte sich um ein strategisches Manöver handeln: Die Amerikaner wissen, dass sie, ohne ein Entgegenkommen im für die arabischen Nachbarn momentan viel wichtigeren Krieg in Israel, kaum Partner für einen neuen Krieg finden werden, um den irakischen Diktator Saddam Hussein zu stürzen.

Der palästinensische Informationsminister Jassir Abed Rabbo, sonst ein ausgesprochener Kritiker der USA, sprach von einem „großen Erfolg für die Palästinenser“, leitete aus der Resolution die Notwendigkeit einer sofortigen internationalen Intervention ab, um die israelische Besetzung zu beenden.

„Ich erwarte eine palästinensische Reaktion auf die Eskalation der israelischen Armee, ohne jeden Zweifel“, sagt Ghassan al-Chatib vom Jerusalemer Zentrum für Medien und Kommunikation. „Das bedeutet, dass die Gewalt weitergeht und die Militärkampagne nichts erreicht hat“, fügt der palästinensische Beobachter hinzu. Auch die eindringlichen Appelle von UN-Generalsekretär Kofi Annan, des Weltsicherheitsrats und der internationalen Gemeinschaft wären damit ungehört verhallt. Seit die israelische Armee vor zwei Wochen ihre massiven Einsätze in den Autonomiegebieten begann, haben sich militante Palästinenser nicht von blutigen Attentaten abhalten lassen.

Beide Seiten wollten vor der Zinni-Visite „möglichst viele Trümpfe in der Hand halten“, schätzt auch der Militärkolumnist der israelischen Tageszeitung Jediot Acharonot, Alex Fishman. Für Israel bedeute das, mit der Besetzung der Autonomiegebiete ein siegreiches Bild seiner Armee zu zeichnen. Die Palästinenser würden sich dagegen weiter darum bemühen, „so weit wie möglich die israelische Moral zu schwächen“.