Fein abgeschmeckte Defensive

Die Fleisch gewordenen Pragmatiker des FC Bayern München remisieren torlos gegen Manchester United, tischen recht schwere Hausmacherkost auf – und kommen weiter

MANCHESTER taz ■ Viel hatte sich der Bayern-Manager Uli Hoeneß ärgern müssen in den letzten Wochen über die Rede von den „Scampi-Bayern“, doch jetzt, nach dem 0:0 und dem erfolgreichen Erreichen des Viertelfinals, war die Luft wieder rein für eine kulinarische Metapher.

Wunderbar hätte die Mannschaft gespielt, „eine große Leistung gegen einen sehr, sehr starken Gegner“ gezeigt. Kurzum: „Das Spiel war etwas für Feinschmecker.“ Der Feinschmecker, den sich der schwäbische Wurstfabrikant vorstellte, muss einer sein, dem sorgfältige Zubereitung und clevere Verwendung der Zutaten wichtiger sind als der gute Geschmack des Endprodukts.

Ein flüchtiger Blick in die Fachpresse zeigt, dass strenger Minimalismus seit zwei, drei Jahren nicht mehr modern ist. Trotzdem hat Bayern unter Ottmar Hitzfelds Anleitung rechtzeitig wieder zu sich selbst gefunden: Der FCB ist der Fleisch gewordene Pragmatismus. Drei mickrige Treffer reichten für das „Minimalziel Viertelfinale“ (Beckenbauer). Am Mittwoch kontrollierten die Münchner den hochgelobten United-Sturm souverän. Torschützenkönig Van Nistelrooy konnte sich kaum durchsetzen, Superstar David Beckham spielte wieder „wie eine Wurst“ (Stefan Effenberg): Lizarazu hatte ihn ausgeschaltet. „Man hat heute gesehen, wie stark wir hinten wirklich sind“, freute sich der Franzose.

Nach vorne taten die Bayern nur wenig. In seinem unermüdlichen Bestreben, den Erfolg kalkulierbar zu machen, hat Hitzfeld mit zwei defensiven Mittelfeldspielern hinter Effenberg und defensiv orientierten Außenverteidigern eine Formel gefunden, die die eigenen Verluste minimiert – als einziges Team ist man in der Champions League weiter ungeschlagen –, und im Strafraum vertraut er auf das Prinzip Hoffnung: Einer wird’s schon richten. Mehr ist nicht. „Wir haben wieder unser wahres Gesicht gezeigt“, sagte Effenberg. Etwas enttäuschter war Alex Ferguson. Das torlose Remis reichte auch seiner Mannschaft fürs Viertelfinale, aber der kauzige United-Trainer ist trotz allem Erfolgshunger ein Mann, der Sinn und Schönheit eines Fußballspiels immer noch an der Zahl der geglückten Angriffszüge und der erzielten Tore festmacht. „Ein vorhersehbares Spiel mit vorhersehbarem Ergebnis“ hatte Sir Alex gesehen.

Den Bayern konnte das Resultat nur recht sein. Selbst Franz Beckenbauer überschlug sich beim Banquet mit Lobesbekundungen: Leistung, Einstellung, alle Manschaftsteile: „hervorragend“. Wenn man so weitermache, werde der Erfolg sicher nicht ausbleiben, glaubte der Kaiser. Dann bat er sein Team noch, sich am Büffet „ein bisschen zurückzuhalten: Sonst kriegen wir wieder Ärger mit den Journalisten.“

RAPHAEL HONIGSTEIN