MAN KANN IN AFGHANISTAN NICHT KRIEG FÜHREN UND FRIEDEN SCHAFFEN
: Bombige Diplomatie

Es gibt kaum eine ehrenvollere Aufgabe als die, im Auftrag der Vereinten Nationen einen Friedensprozess zu überwachen. Warum also reißt sich Deutschland – in den eigenen Augen eine verantwortungsbewusste Mittelmacht – nicht um die Gelegenheit, die Führungsrolle des UN-mandatierten Einsatzes in Afghanistan zu übernehmen? Dafür gibt es mehrere Gründe. Einer ist gewiss in der unbehaglichen Erkenntnis zu sehen, die Bundeswehr wäre derzeit gar fähig, diesen Auftrag zu erfüllen. Diese Sorge eint übrigens viele Gegner aggressiver Militärinterventionen mit ihren Befürwortern. Auch diejenigen, die Bombenangriffe nicht für eine Weiterentwicklung der Diplomatie halten, kennen die Kosten von Friedensmissionen.

Der Hauptgrund für die deutsche Zurückhaltung aber dürfte in etwas anderem zu sehen sein: nämlich in der Erkenntnis, dass man schwerlich gleichzeitig Krieg führen und Frieden bringen kann. Angesichts der immer unübersichtlicher werdenden Lage fühlen sich jetzt all diejenigen bestätigt, die schon vor einigen Monaten meinten, eine UN-Operation könne nur nach Kriegsende und in erheblich größerem Umfang als ursprünglich geplant erfolgreich sein. Die deutsche Öffentlichkeit zieht es derzeit vor, die zivilen Opfer des Krieges nicht zur Kenntnis zu nehmen. Kaum jemand kann sich jedoch noch länger der Einsicht verschließen, dass Krieg zugleich immer eine – wenngleich gelegentlich unbeabsichtigte – Parteinahme bedeutet. Es gibt dafür zu viele Meldungen, denen zufolge sich afghanische „Stammesfürsten“, die nicht zu den Taliban gehören, dem Kampf gegen die US-Militärs und deren Verbündete angeschlossen haben.

Die Bedeutung solcher Nachrichten lässt sich für diejenigen nur schwer einschätzen, die keine Ahnung von den inneren Verhältnissen in Afghanistan haben. Also für ungefähr 99 Prozent der Öffentlichkeit und der politischen Klasse. Wenn diese sich nicht zu tief in Angelegenheiten verstricken lassen wollen, von denen sie nichts verstehen, dann ist das verständlich. Es ist ebenfalls verständlich, dass sich der afghanische Regierungschef Hamid Karsai damit nicht abfinden will. Schließlich steht seine Zukunft auf dem Spiel. In gleicher Weise nachvollziehbar ist jedoch, dass der deutsche Außenminister sich nicht überzeugen lassen möchte. Auch er kämpft gegenwärtig um sein politisches Überleben. Bleibt die Frage: Warum unterstützt die deutsche Bundesregierung weiterhin aktiv die Bombardierung eines Landes, dessen Verhältnisse sie für eine Friedensmission für allzu unkalkulierbar hält? BETTINA GAUS