Portugals Sozialisten vor dem Abgang

Am Sonntag wird gewählt, und nach zwei Jahren wirtschaftlichen Niedergangs kommt die Botschaft des konservativen Herausforderers Durão Barroso besser an als die Versprechen des Sozialisten Ferro Rodrigues

Rechter Wahlschlager: Schulkinder sollen jeden Tag die Nationalhymne singen

LISSABON taz ■ „Mut“, steht auf einem der Wahlplakate mit dem die portugiesischen Sozialisten die Wähler bei den vorgezogenen Neuwahlen am kommenden Sonntag mobilisieren wollen. Doch Mut braucht vor allem der Spitzenkandidat Eduardo Ferro Rodrigues. Denn selbst weite Teile seiner Partei (PS) glauben nicht an den Mann, der die Nachfolge des nach einer Schlappe bei den Kommunalwahlen im Dezember überraschend zurückgetretenen Ministerpräsidenten Antonio Guterres antreten soll. „Es kann nicht angehen, dass nur Ferro und drei weitere Verrückte auf die Straße gehen“, rügte die Parteizentrale zum Auftakt des Wahlkampfs die Sozialisten.

Die Kampagne kam trotzdem nur schleppend in Gang. Portugals Sozialisten scheinen sich in ihr Schicksal gefügt zu haben. Alle Umfragen sagen der PS eine Niederlage voraus. Der Kandidat der liberal-konservativen Sozialdemokratischen Partei (PSD), José Manuel Durão Barroso, liegt klar vorn.

Dabei waren die Sozialisten bei ihrer Wiederwahl vor zwei Jahren nur knapp an der absoluten Mehrheit gescheitert. Die Wähler waren begeistert: Die Wirtschaft boomte, die Arbeitslosigkeit ging auf vier Prozent zurück, die Kaufkraft stieg. Doch dann kam die Stagnation der Wirtschaft und mit ihr die Enttäuschung. Schnell stellte sich heraus, dass ein Teil des wirtschaftlichen Aufschwungs künstlich herbeigeführt worden war. Große staatliche Prestigeprojekte wie die Weltausstellung und die damit verbundene Städtereform Lissabons füllten die Auftragsbücher der Bauindustrie und ihrer Zulieferer. Bis das bittere Erwachen in Form eines blauen Briefes aus Brüssel kam. Die makroökonomischen Daten erfüllen die Maastrichter Kriterien nicht mehr. Die Staatskassen sind leer, die Inflation gerät außer Kontrolle, die Regierung kann nicht mal mehr die Armee bezahlen. So mussten vor wenigen Wochen wegen Munitionsmangel Manöver der Marine ausgesetzt werden.

Nicht nur in der Wirtschaft, auch in der Politik sind viele Wähler von den Sozialisten enttäuscht. Der zurückgetretene Ministerpräsident Antonio Guterres versprach weit gehende Reformen. Doch nichts ist geschehen. Guterres traute sich weder an das Steuersystem heran, noch modernisierten er das Bildungs- und Gesundheitswesen oder die Justiz. Zu groß war seine Angst vor Konflikten mit mächtigen Interessengruppen, wie den Unternehmern oder – im Falle des Abtreibungsrechtes – mit der Kirche.

Um all dies vergessen zu machen führen die Sozialisten einen Wahlkampf gegen sich selbst. Mehr Ausbildungsplätze, bessere ärztliche Versorgung und mehr soziale Gerechtigkeit – Ferro Rodrigues verspricht all das, was sein Vorgänger Guterres nicht einhalten konnte. „Besser machen“, steht auf dem wohl am meisten verklebten Wahlplakat der Sozialisten.

„Jetzt machen“, hält der Kandidat der Sozialdemokraten Durão Barroso den Sozialisten entgegen. Sein Programm erinnert stark an das von José María Aznar, dem konservative Regierungspräsidenten aus dem Nachbarland Spanien und Freund von Durão Barroso. Der PSD-Kandidat verspricht eine Steuersenkung, um so die Wirtschaft anzukurbeln. Nur so könne Portugal im Konkurrenzkampf mit Osteuropa um internationale Investoren bestehen. Um dennoch die Staatseinnahmen aufrechtzuerhalten, sollen die indirekten Steuern angehoben werden. „Wer mehr konsumiert, zahlt mehr“, heißt die Devise des Konservativen. Sondersteuern für große Vermögen, wie es die Sozialisten im Wahlkampf einmal mehr versprechen lehnt Durão Barroso ab.

Alle Umfragen sagen Barroso den Wahlsieg voraus. Doch damit will sich der Mitte-Rechts-Kandidat nicht zufrieden geben. Er kämpft im Endspurt des Wahlkampfs um die absolute Mehrheit. Denn wenn er diese nicht bekommt, ist er auf die rechte Volkspartei (PP) von Paulo Portas angewiesen. Und dieses Bündnis scheint nur schwer machbar. Der junge, smarte PP-Chef setzt im Zeichen der Abgrenzung ganz auf alte Werte aus Zeiten der Salazar-Diktatur. Seine wohl skurrilster Einfall: Er sähe es gern, wenn die Kinder künftig in der Schule jeden Morgen die Portugalfahne hissen und die Nationalhymne dazu singen würden.

Mehr noch als eine notwendige Tolerierung oder Koalition mit der PP befürchtet Durão Barroso, dass seine PSD zwar stärkste Partei werden könnte, aber dennoch die Linke eine parlamentarische Mehrheit erzielt. Portugal wäre dann so gut wie unregierbar. Denn die kommunistische Partei (PCP) ist über die Frage einer Koalition mit den Sozialisten gespalten. Und der kleine Linksblock würde nur punktuell mit den Sozialisten stimmen. REINER WANDLER