Es grünt so grün

Costa Rica gilt als viel versprechende Destination für Ökotouristen. Das mittelamerikanische Land versucht, mit kleinteiligem Tourismus seinen natürlichen Gegebenheiten Rechnung zu tragen

von ANDREA WURTH
und BETTINA LUTTERBECK

Feuer spuckende Vulkane, tropische Regenwälder und Nebelurwald, Mangrovensümpfe, Traumstrände an Karibik und Pazifik, mächtige Gebirge und ockergelbe Savannen – Costa Rica gilt als Traumziel für naturverbundene Aktivurlauber und als Mekka für Biologen und Geologen aus der ganzen Welt.

Das mittelamerikanische Land ist wenig größer als die Schweiz, hat aber unzählige Naturräume und Mikroklimata und eine unglaublich artenreiche Flora und Fauna. 1.200 Orchideenarten, 860 Vogelarten, darunter allein fünfzig Kolibrivarianten, neunhundert Baumarten, vierzigtausend Insektenarten, neben lästigen Moskitos oder Kakerlaken auch dreitausend verschiedene Schmetterlingsarten. Was die natürlichen Reichtümer anbelangt, ist Costa Rica ein Land der Superlative.

Hinter einer solchen Kulisse tun sich an vielen Flecken der Erde Abgründe auf. Krieg, Armut, Kriminalität, Naturkatastrophen. Aber auch hier hat Costa Rica den Joker gezogen. Das Land ohne Armee und Krieg ist eine der ältesten Demokratien des Kontinents und im Vergleich zu seinen Nachbarn eine Oase der Ruhe und des Friedens. Der Armutsindex ist vergleichsweise niedrig, die durchschnittliche Lebenserwartung für lateinamerikanische Verhältnisse sehr hoch. Und auch die Wirbelstürme und Erdbeben, die Mittelamerika in den letzten Wochen und Jahren heimsuchten, haben Costa Rica bisher konsequent verschont.

Pura Vida – Leben pur, lautet der beliebte Gruß der Ticos, der so ziemlich alles zwischen Hallo, Okay und Tschüs bedeuten kann. Leben pur, das ist es, was die meisten der fünfhunderttausend Touristen, die jährlich ins Land kommen, hier suchen. Laut einer Umfrage der nationalen Tourismusbehörde wollen zwei Drittel der Besucher in erster Linie das Leben genießen und relaxen. Und das in einer intakten Natur.

Für diese Natur hat Costa Rica in den letzten Jahrzehnten einiges getan. Rund ein Viertel der Landesfläche steht inzwischen unter Naturschutz, als Biosphärenreservat oder als Naturpark. Zwar ist Costa Rica laut einer Aufstellung der UN-Organisation für die Landwirtschaft FAO einer der Weltmeister im Einsatz von Agrarchemikalien – so werden beispielsweise die großen Bananen- und Ananasplantagen der Obstmultis immer noch vom Flugzeug aus besprüht – doch immer deutlicher erkennt die Regierung, dass die natürlichen Reichtümer zum Kapital der Zukunft gehören. Der Tourismus ist schon jetzt der wichtigste Devisenbringer des Landes – und der lebt von der Natur. Im Gegensatz zur Dominikanischen Republik oder Kuba setzte die costa-ricanische Tourismuspolitik nicht auf den Massentourismus, sondern auf individualtouristische Angebote für höhere Einkommensgruppen.

An den Paradestränden an Karibik- oder Pazifikküste trifft man daher auf vergleichsweise wenig Hotels mit mehr als hundert Betten. Es gibt vielmehr eine breite Auswahl an architektonisch bizarren Lodges und kleineren Pensionen der mittleren und hohen Preisklasse. 1999 führte die Tourismusbehörde ein ökologisches Klassifizierungssystem für Hotels ein, das verschiedene Kategorien aus dem Umweltmanagement wie Energieverbrauch und Abwasseraufbereitung umfasst. In der Zwischenzeit statteten sich zahlreiche Hotels mit einem oder mehreren der fünf möglichen „grünen Blätter“ aus.

Glaubt man den Anzeigen und Angeboten der Touroperatoren, dann ist nahezu alles, was sich abseits der geteerten Straße abspielt, Ökotourismus – Tauchen, Reitausflüge, Paragliding und Canyoning, oder einfach nur Wanderungen im Naturpark. Eine Inflation des Wortes Öko greift um sich, und nicht alles entspricht tatsächlich den Kriterien von Nachhaltigkeit. Öko, so scheint es, ist in Costa Rica eben alles.

Die kleine Agentur Cultourica (www.cultourica.com) meint es ernst, wenn sie von Ökotourismus spricht. Frank Doyé, Inhaber der Agentur, kam vor sieben Jahren mit seiner costa-ricanischen Frau ins Land. Der ehemalige Lehrer aus Frankfurt übernimmt oft selbst die Reiseleitung und kennt das Land inzwischen wie seine Westentasche. Das Angebot seiner Agentur umfasst Sprach-, Fahrrad- und Tanzreisen sowie ökotouristische und vogelkundliche Angebote.

Das Konzept ist, Natur und Kultur zu verbinden. „Naturschutz funktioniert nur dann, wenn die Leute genug zum Leben haben“, meint Frank Doyé. „Wer die sozialen Probleme nicht löst, kann niemanden dazu überreden, die Natur intakt zu lassen. Es ist absurd, wenn irgendwelche Vogelschützer aus dem Ausland ein Stück Primärurwald kaufen, und daneben wohnen Menschen in einer Wellblechhütte, die nichts zu essen haben. Es ist verständlich, wenn diese dann die seltenen Vögel jagen, um sie zu verkaufen.“

So achtet Cultourica darauf, dass die Einheimischen vom Tourismus profitieren und die Touristen die Lebenssituation der Leute vor Ort kennen lernen. Dabei arbeitet Doyé mit mehreren ökotouristischen Kooperativen, meist Zusammenschlüssen von Kleinbauern und Umweltorganisationen, in verschiedenen Landesteilen zusammen. Auch bei den Sprachreisen werden Initiativen vor Ort besucht.

Doyés Gäste sind meist begeistert von den Naturerlebnissen und dem Kontakt mit Einheimischen, auch wenn einige davon nicht erwartet hatten, wie genau es Cultourica mit dem sanften Reisen nimmt. „Da gibt es immer einige, die sich über Spinnen im Zimmer oder durchgelegene Matratzen beklagen. In der Theorie wollen sie die tropische Natur und die Menschen kennen lernen, doch im Alltag wollen sie dann doch lieber bei ein bisschen Luxus ausspannen.“

Neben Cultourica und dem Freiburger Reiseveranstalter Waschbär (www.waschbaer.de) haben nur noch kleinere kanadische Reiseveranstalter Ökotourismus im Angebot. Wahrscheinlich reicht das auch, zumindest was die Nachfrageseite der wirklich interessierten Ökotouristen betrifft.

ANDREA WURTH ist freie Journalistin mit Schwerpunkt Lateinamerika. BETTINA LUTTERBECK lebt als Autorin von Radionovelas in Costa Rica.