Vermischen, verschwimmen

Die fotografischen Inszenierungen des Schweizers Rodolphe Breidenbach in der galerie katze 5: Das Zweite und Dritte Gesicht, fremde Hybride und leichtsinnige Maskentänze

Im ersten Raum sieht man die Stars und die Schönen, im zweiten die Alten, im dritten die Toten. Im vierten Galerieraum liest man die Kunstgeschichte als Zitatenmix, und im Keller schaut man auf Hände und Füße. Der Schweizer Fotograf Rodolphe Breidenbach will in seiner Ausstellung „Das Zweite und Dritte Gesicht“ ein „Kopftheater“ inszenieren, mit verfremdeten, irritierenden Gesichtern, die er in einem bemerkenswert simplen Multimixverfahren herstellt.

Auf die Gesichter seiner realen Modelle – seiner Freunde und Bekannten – diaprojizierte er die Porträts toter Berühmtheiten. Dann fotografierte er das Ganze. Zweihundert Fotografien stellte Breidenbach für seine Schau zusammen. Die gespenstischen, anmutigen, manchmal auch kitschigen „Two-in-one“-Gesichter, rotgolden ausgeleuchtet vor schwarzem Hintergrund, durchziehen als Fotoband die Galerieräume. Bei näherem Hinsehen kommt es zum beliebten Überraschungseffekt. Da erblickt man Marlene Dietrich und stellt irritiert fest, dass sich die Züge der Diva mit denen einer unbekannten Frau vermischen. Ebenso bei Romy Schneider, Debbie Harry, Maria Callas. Disharmonische Hybride, die in ihren besten Momenten an fehlgeschlagene Genexperimente und Freakshows erinnern.

Breidenbach nennt sie das „Dritte Gesicht“. Er will das „gelenkte“ Sehen, die kulturellen Fixierungen – von Schönheitsidealen und Geschlechterbildern – aufknacken. Er ermöglicht den Blick auf Ungewohntes. Das ist interessant und amüsant. Von den Arbeiten geht ein starker Impuls der Verwirrung aus, und die Optik der Kunst-Gesichter ist raffiniert. Trotz aller zeichenkritischer Anklänge – das Philosophenpaar Deleuze und Guattari wird aus „Milles plateaux“ zitiert – gibt es was zum Lachen, wenn der ehrwürdige Samuel Beckett mit gepierctem Kinn und Iro zu sehen ist oder ein Jungengesicht mit der gräulichen Totenmaske Wagners verschwimmt.

Breidenbach ist so etwas wie ein Anti-Pygmalion, er baut keine Traumgeschöpfe, er überführt den Perfektionstraum der Absurdität. Sein „Drittes Gesicht“ entsteht aus der Disharmonie fremder, konventionell nicht zusammengehörender Gesichtszüge, die ihrer ursprünglichen Identität entrissen sind. Vielleicht schafft das neue Bild eine neue Identität. „Ich arbeite die Brüche und Verschiebungen von Schönheitsidealen ab, die uns ständig umkreisen“, sagt der 41-jährige Wahlberliner. „Den Werbebildern kann man ja nicht ausweichen, man muss damit umgehen.“ „Transface“ nennt Breidenbach seine Option, in Anlehnung an „Transgender“-AktivistInnen, wie die Fotokünstlerin Del La Grace Volcano, die geschlechtsspezifische Grenzen ästhetisch wie biologisch überschreiten. Die Folge der Hybridporträts wird mit großen Leuchtkästen kontrastiert, die nackte Menschen mit Masken zeigen, dem „Zweiten Gesicht“.

Ozeanische, mexikanische und afrikanische Masken, Körper in Tänzerposen. „Die Spannung zwischen starrer Maske und bewegtem Körper wird sichtbar“, sagt Breidenbach, „und die Leichtigkeit, mit der man sich bewegt, wenn man nichts mehr sieht unter der Maske.“ Leicht ohne Sicht? Beim Blindekuhspielen war das anders. JANA SITTNICK

Bis 30. März in der galerie katze 5, Katzbachstraße 5, Kreuzberg. Heute veranstaltet die Galerie in Kooperation mit dem Künstler eine Demonstration gegen Rassismus: „Gesicht zeigen“, ab 16 Uhr, Südstern bis Katzbachstraße, mit Diashow.