Weltoffen in jeder Hinsicht

Hier trifft sich die Welt: In den zahlreichen Hostels der Stadt übernachten Jugendliche aus aller Herren Länder – daran hat auch der 11. September nichts geändert. Hier wird nach wie vor gelacht und gefeiert. Und manchmal auch mehr

Im Fernsehzimmer herrschte helle Aufregung. Ein paar Jugendliche schrien durcheinander, andere weinten, viele lagen sich in den Armen, andere waren wie gelähmt. Der 11. September war auch im „Mitte’s Backpacker Hostel“ ein aufwühlender, ein schlimmer, ein trauriger Tag. „Alle waren extrem schockiert“, erinnert sich Inhaber Ante Zelck. Kein Wunder: Unter den Gästen waren zahlreiche Amerikaner. „Gott sei Dank hatte niemand Verwandte oder Bekannte in New York“, sagt Zelck. Trotzdem: Das Hostel, Übernachtungsstätte und Treffpunkt für Junge und Junggebliebene aus aller Herren Länder, stand unter Schock.

Es dauerte einige Tage, bis in dem Haus in der Chausseestraße wieder Normalität einkehrte. Und dennoch: Die Gäste kamen weiterhin in Scharen – von Flaute keine Spur. „Der 11. September hat sich bei uns nicht gravierend bemerkbar gemacht“, berichtet Zelck. Erst einige Wochen später wurde es etwas ruhiger – doch dass in den Wintermonaten weniger Gäste kommen als sonst, ist normal. Ihr eigentliches Hauptgeschäft machen die gut ein Dutzend Hostels in der Stadt naturgemäß in den Sommermonaten – das ist schon seit Jahren so. „Damit kompensieren wir den Winter“, sagt Zelck.

Der überwiegende Teil der Gäste in Zelcks 60-Betten-Haus kommt aus den USA, aus Kanada oder Australien. Aber auch für Jugendliche aus Japan oder Korea ist Berlin ein beliebtes Reiseziel. Und für Europäer sowieso. „Der August ist der italienische Monat, und im Herbst kommen die Norweger und Schweden“, erzählt Zelck.

Und so unterschiedlich die Hautfarbe der Gäste, so unterschiedlich sind ihre Interessen: Donald (50) aus New York, der an diesem regnerischen Märzvormittag an einem der Bartische vor der Rezeption sitzt, kommt wegen der Philharmoniker in die Stadt. Moto (27) aus Yokohama interessiert sich für Architektur – und findet gleich Gefallen an den Zimmern des Hostels, die allesamt von Rucksacktouristen gestaltet wurden. Auch Kate (24) aus Sydney strahlt: „Das ist das bisher schönste Hostel, das wir in Europa gesehen haben.“ Sie lobt die „tolle Atmosphäre“ und das „nette Personal“. Und freut sich auf die nächste Erkundungstour durch die City. „Berlin ist eine tolle Stadt“, sagt sie, und ihr Freund Matt (24) nickt.

Englisch wird hier gesprochen, Französisch und Spanisch. Und für 13 bis 28 Euro, die die Gäste für eine Übernachtung in einem der Ein- bis Achtbettzimmer bezahlen, bekommen sie deshalb auch so manche Lehrstunde in Sachen Sprache und Kultur dazu. Ganz umsonst. Denn Internationalität, Toleranz und Weltoffenheit sind die Maßstäbe, die sich das Mitte’s Backpacker Hostel und andere Jugendhotels auf die Fahnen geschrieben haben – und das nicht erst seit dem 11. September. „Hier lernen sich die Leute sehr schnell kennen“, erzählt Zelck.

Wobei kennen lernen manchmal mehr als nur kennen lernen ist. Wohl nicht umsonst werden in einem Glaskasten an der Rezeption nicht nur Ohropax und Zahnpasta angeboten. Gleich daneben liegt, ganz unscheinbar, auch ein kleines Päckchen Kondome. CHRISTOPH TROST