Entwicklungshilfe steigt zu langsam

Terre des Hommes kritisiert die angekündigte Steigerung der Hilfe für arme Länder als „unzureichend“

BERLIN taz ■ Beim letzten Mal musste Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul noch mit Rücktritt drohen, um ihren Etat zu verbessern, diesmal half ihr eine Initiative der EU-Kommission. Gestern konnte die SPD-Ministerin offiziell im Bundestag für die Regierung erklären, dass Deutschland seine Ausgaben für die Entwicklungshilfe bis 2006 steigern werde – von jetzt 0,27 auf 0,33 Prozent gemessen an der Wirtschaftskraft, dem Bruttoinlandsprodukt (BIP). Und das sagte sie mit Stolz.

Den Entwicklungshilfeverbänden ist das nicht genug. „Es ist schön, dass der negative Trend gebrochen ist“, sagte Stefan Stolze, Sprecher der Kinderhilfsorganisiation Terre des Hommes. „Aber es ist ein winziger Schritt – und angesichts der Probleme unzureichend.“ Damit spricht er den Verbänden aus dem Herzen. Seit Jahren fordern sie einen verbindlichen Zeitplan, bis wann Deutschland endlich das versprochene UN-Ziel erfüllt und 0,7 Prozent in die Entwicklungshilfe steckt.

Eigentlich hatten die Entwicklungsverbände gehofft, dass Deutschland dies vor dem Gipfel zur globalen Entwicklungsfinanzierung in Mexiko endlich zusagt. Dort in Monterrey tagen in der kommenden Woche nämlich die Staaten der Erde mit allen wichtigen Organisationen, darunter Weltbank, Währungsfonds und WTO.

Auch der US-Präsident hat sich für den letzten Tag angekündigt. Gestern verriet er sein Gastgeschenk: Er will fünf Milliarden US-Dollar mehr an Entwicklungshilfe ausgeben – ab 2004 und über drei Jahre verteilt. Das entspricht etwa einer Steigerung um knapp 15 Prozent. Zum Vergleich: Der deutsche Beschluss entspricht einer Steigerung um knapp 25 Prozent.

Die Opposition im Bundestag nahm die Ankündigung Wieczorek-Zeuls ebenfalls kritisch auf. Die Union zweifelte daran, dass die Regierung ihre Ankündigung nun auch im Haushaltsplan umsetzen werde. Zudem forderte sie eine Erreichung des 0,7 Prozent-Zieles innerhalb von zehn Jahren. Nun lässt sich so eine Forderung in der Opposition leicht stellen. Doch während der Regierung Kohl sank der Entwicklungshilfeanteil von 0,48 auf 0,26 Prozent des BIP.

Auch die PDS kritisierte den Zeitrahmen. Würde die Regierung sich weiter in der angekündigten Geschwindigkeit dem 0,7-Prozent-Ziel nähern, sagte der PDS-Abgeordnete Carsten Hübner, „braucht sie 30 Jahre“. Die PDS forderte, die Entschuldungsinitiative auf Länder mittleren Einkommens auszudehnen und eine Tobin-Steuer einzuführen. Für die Steuer setzt sich auch Heidemarie Wieczorek-Zeul und die Grünen ein. FDP und Union lehnen sie dagegen ab.

Heidemarie Wieczorek-Zeul lobte den bereits vorab ausgehandelten Entwurf des Abschlussdokuments, den „Monterrey-Konsens“ als Ausdruck einer „neuen partnerschaftlichen Zusammenarbeit“. Das sehen die Verbände ganz anders: Denn in dem Dokument wurden alle strittigen Passagen einfach gestrichen. „Der Monterrey-Konsens ist ein geheuchelter Konsens“, klagen deshalb über 70 europäische Entwicklungsverbände in einer gemeinsamen Erklärung. Er beinhalte keine konkreten Verpflichtungen zur Armutsbekämpfung, bloß die „Verheißung, dass weitere Handelsliberalisierungen den privaten Sektor dazu bringen, sich um die Armen der Welt zu kümmern“.

MATTHIAS URBACH