Der 129 a wird entschärft

Mit einem Deal beim Terror-Strafrecht könnte das Werben für eine „terroristische Vereinigung“ straffrei werden: Wenn die Grünen der Verfolgung ausländischer „Terroristen“ in Deutschland zustimmen, hilft die SPD, den Paragrafen 129 a abzumildern

aus Freiburg CHRISTIAN RATH

Die von Bürgerrechtlern lange geforderte Entschärfung des Terrorismus-Paragrafen 129 a ist in Sichtweite. Das nicht näher bestimmte „Werben“ für eine terroristische Vereinigung soll künftig nicht mehr als Terrorismus gelten. Dies bestätigte gegenüber der taz Ludwig Stiegler, der für Rechtspolitik zuständige Vizefraktionschef der SPD. Er stellt allerdings noch eine Bedingung: Die Grünen müssen einem neuen Paragraf 129 b zustimmen, der deutsches Strafrecht auf ausländische Terrorgruppen anwendet.

Seit 1976 ist im deutschen Strafgesetzbuch schon die bloße Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung strafbar – auch ohne dass konkrete Taten nachgewiesen werden. Selbst das Unterstützen oder die Werbung für eine solche Gruppe gelten laut Paragraf 129 a bereits als Terrorismus. Zu Verurteilungen führte der 129er selten, aber er legitimierte Hausdurchsuchungen und Abhörmaßnahmen.

Bisher musste eine terroristische Vereinigung aber zumindest eine aktive „Teilorganisation“ auf deutschem Boden haben. Wurde Deutschland nur als Ruheraum oder zur politischen Arbeit genutzt, waren der Justiz die Hände gebunden. Aufgrund eines EU-Beschlusses von 1998 muss sich dies jedoch ändern. Demnach sind Terrororganisation aus europäischen Staaten, etwa die baskische ETA, deutschen Gruppen gleichzustellen.

Nach dem 11. September schien Justizministerin Herta Däubler-Gmelin dieser Ansatz zu eng. Auch außereuropäische Gruppen wie al-Qaida sollen in Deutschland keine Freiräume haben. Däubler-Gmelin schlug deshalb einen neuen Paragraf 129 b vor – mit einem Satz: Paragraf 129 a gelte „auch für Vereinigungen im Ausland“.

Die Grünen verhinderten jedoch die vorgesehene Beschlussfassung zusammen mit Schilys erstem Sicherheitspaket. Sie haben Angst, dass diktatorische Regime ihre politischen Gegner zu „Terroristen“ erklären und Deutschland dann zur Strafverfolgung gezwungen sein könnte. Sie wollen dem Paragraf 129 b nur zustimmen, wenn die Regierung rechtsstaatliche Sicherungen einbaut – und zugleich dem Paragraf 129 a die schlimmsten Zähne zieht.

Mit der SPD wurde nun ausgehandelt, dass das bloße „Werben“ nicht mehr unter Paragraf 129 a fallen soll. Bisher galt schon als Terrorist, wer „RAF lebt“ an eine Hauswand pinselte – völlig unverhältnismäßig, wie viele Bürgerrechtler finden. Das „Werben“ soll nun in Paragraf 129 a in „Anwerben“ verändert werden – eine winzige Veränderung zwar, die aber Paragraf 129 a nachhaltig entschärfen würde.

Umstritten ist zwischen SPD und Grünen aber noch, wie nun Paragraf 129 b rechtsstaatlich sauber geregelt werden kann. Die SPD schlägt in einem der taz vorliegenden Entwurf vor, dass außereuropäische Organisationen „nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz“ verfolgt werden dürfen.

Das ist Grünen-Unterhändler Christian Ströbele zu wenig: „Wir müssen im Gesetz klarstellen, dass Organisationen, die sich gegen Unrechtsregime wenden, nichts zu befürchten haben.“ Die SPD hält das für zu kompliziert. Sie vertraut dem Ermessen jetziger und künftiger JustizministerInnen. SPD-Mann Stiegler rechnet mit einer Einigung im Verlauf der kommenden Woche. Für ihn ist klar: Es hängt an den Grünen, „sonst tut sich auch nichts beim Paragrafen 129 a“.