SPD: Weniger Profil, wieder Albers

■ Landesvorsitzender Detlev Albers mit deutlichem Vorsprung wiedergewählt. Henning Scherf: SPD-Delegierte sollen weniger „Vorwärts“ lesen und mehr die gute Presse der großen Koalition

Die Bremer SPD setzt auf Kontinuität. Mit einer überraschend deutlichen Mehrheit bestätigten die Delegierten des Landesparteitages am Samstag den bisherigen Landesvorsitzenden Detlev Albers in seinem Amt. 130 Stimmen bekam Albers, nur 90 Stimmen dagegen sein Herausforderer. Joachim Schuster hatte sich als der jüngere Kandidat empfohlen, der frischen Wind und ein stärkeres Profil versprach. „Fallt denen, die den Wählerauftrag auszufüllen versuchen, nicht ohne Not in den Rücken“, hatte Bürgermeister Henning Scherf die Delegierten ermahnt. Und damit offensichtlich die Stimmung von vielen getroffen.

„Wählerauftrag“, das sollte eine Umschreibung für die große Koalition sein. Die Kampagne zur Ablösung des Landesvorsitzenden Albers hatte Joachim Schuster vor allem mit dem Thema geführt, er werde ernsthafter als das Albers getan hatte darauf drängen, dass die große Koalition nicht fortgesetzt wird. „Wir dürfen Koalitionskompromisse nicht als unserer Erfolge verkaufen“, erklärte Schuster auch am Samstag. Schuster skizzierte noch einmal voller Bitternis, wie die Koalitionsentscheidung am Wahlabend nach Schließung der Wahllokale gefallen war: Für die Rolle der SPD sei es zu wenig, wenn der Landesvorsitzende „das, was Henning um 18 Uhr 30 im Radio verkündet, im 19 Uhr 15 nachvollziehen darf“.

Scherf lässt derweil keinen Zweifel aufkommen, dass er das im kommenden Jahr genau so wieder machen will. Die Lage sei für die SPD in Bremen besser als im Bund, hatte Scherf den Delegierten zu Beginn erklärt. Das sprach gegen rot-grün und für die große Koalition. Scherf setzte noch einen drauf: Die Genossen sollten nicht nur das Parteiblatt Vorwärts lesen, sondern lieber richtige Zeitungen, wenn sie sich über die Lage der SPD orientieren wollten. Uwe Beckmeyer, der frühere Häfensenator, der einen Bundestagswahlkreis sicher und insofern nichts mehr zu verlieren hat, traute sich einen trotzigen Zwischenruf, man lese das doch. Woraufhin Henning Scherf ihn vor versammelter Delegiertenschaft heftig anfuhr und nicht zu erwähnen vergaß, gerade Beckmeyer habe ja in den letzten Wochen für schlechte Schlagzeilen gesorgt. Als Scherf sich später für seinen Ausfall entschuldigte, rührte sich keine Hand zum versöhnlichen Beifall.

Trotzdem verfehlen solche Strafaktionen ihre Wirkung nicht. Schuster hatte später ironisch angemerkt, sogar Scherf arbeite ja inzwischen für ihn. Aber das war eine kräftige Fehleinschätzung, wie das Ergebnis der Auszählung zeigte. Weder personell noch sachlich haben die Delegierten eine Alternative zu Scherf gesehen. Nicht nur deswegen, weil Schuster seinem Doktorvater Albers letztlich dann doch zu ähnlich ist.

Die politische Lage schreit auch nicht nach Alternativen. Schuster musste schon seine Mutter ins Feld führen, eine Putzfrau, um sein Herz für die unteren Klassen unter Beweis zu stellen. Und in der Bildungspolitik sollen ein paar mehr Akzente gesetzt werden. Das ist kein Stoff für Alternativen, erst recht nicht, wenn das Mitglied des Haushaltsausschusses in Schuster bei jedem Ansatz von Wahlversprechen die Handbremse ganz fest anzieht.

Schuster weiß wie Scherf, dass nach der nächsten Bürgerschaftswahl, wenn das Ende der zweiten Periode der Sanierung greifbar wird, kein neuer Anfang zu verkünden und nichts zu verteilen ist. Da ist für Scherf nichts zu erwarten, was die SPD allein verantworten möchte. Den Erfolg würde er nie mit einem Koalitionspartner teilen wollen. Wenn Scherf unbedingt die große Koalition fortführen will, geht es ihm also um etwas anderes: Für das Misslingen der Sanierung muss er die Opposition ausschalten, indem er sie einbindet.

Klaus Wolschner