Ein Wald voll sprechender Tiere

Auf der Messe „Cartoon Movie“ in Potsdam konnten Investoren, Verleiher und Produzenten bereits realisierte sowie geplante Zeichentrickfilme besichtigen. Doch zu oft kopieren die europäischen Produktionen das Disney-Vorbild

Im vergangenen Jahr kam es zu Finanzierungsabschlüssen von mehr als 70 Millionen Euro. Und auch diesmal, bei der vierten europäischen „Cartoon Movie“-Messe in Potsdam, die am Samstagabend zu Ende ging, liegen bereits erste Rekordzahlen vor: 128 Investoren und internationale Verleiher und 263 Produzenten seien gekommen, um sich unter mehr oder minder rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten mit bereits realisierten oder noch in der Konzeptions- oder Produktionsphase befindlichen Animationsfilmen in Spielfilmlänge auseinander zu setzen.

Es wurden auch mehr Projekte als im Vorjahr vorgestellt: Damals waren es 42, diesmal 47. Doch gerade hier liegt das Problem: Der Veranstalter, die „Cartoon – European Association of Animation Film“, schien mit Masse statt Klasse glänzen zu wollen und sich auf den internationalen Erfolgen von „Chicken Run“ und dem gestiegenen Zuschauerinteresse an Animationen ausruhen zu wollen.

Doch statt Disney mit originären Produktionen den Rang abzulaufen, wird in Europa oft dessen Erfolgsmixtur aus aufdringlicher Moral und beschaulichen Kinderliedern imitiert. Übersehen wird dabei, dass der US-Branchenriese selbst immer öfter von diesem alten, für ihn einst so charakteristischen Konzept abweicht. Und so wurde in Potsdam nach jeder Vorstellung, selbst wenn sie nur aus kurzen Inhaltsskizzen bestand, fast schon verzweifelt ins Auditorium gefragt, ob einer der akkreditierten US-Verleiher etwas zu dem eben Gesehenen sagen könne, Chancen für einen Vertrieb in Amerika sehe oder gar einen Kooperationsvertrag schließen wolle. Von der Kampfansage an Disney war an den drei Tagen nichts mehr zu spüren: Die Messe glich eher einem Tanz um die Gunst des reichen Onkels aus Übersee. In Anbetracht der anvisierten Produktionskosten – wesentlich unter zehn Millionen Euro kalkuliert anscheinend niemand mehr – und der realen Einspielergebnisse von oft nicht einmal fünf Millionen Euro scheint für die Suche nach international tragfähigeren Modellen jedes Mittel legitim.

Egal ob die klischeebeladene und mit Waldgeistern operierende „Tristan und Isolde“-Adaption aus Luxemburg oder die noch in der Produktionsphase befindliche Moby-Dick-Mär der Münchner Firma Trixter – viele der in diesem Jahr präsentierten Ideen litten an Einfallsarmut und mangelndem Mut zu neuen Stoffen. Allenthalben sprechende Tiere, Menschen, die ihre Charaktereigenschaften lediglich mit spitzem Kinn, fiesem Grinsemund, dickem Bauch oder der „typisch“ naiven und wohl irgendwie gutherzigen Stupsnase zum Ausdruck bringen sowie sichtlich vom Harry-Potter-Fieber beseelte Zauberer- und Hexengeschichten.

Originelle Konzepte, wie die italienische „Rat-Man“ Versagerstory oder das gleichfalls auf Tierfiguren zurückgreifende spanische Projekt „Romeo & Juliet“, das belegen will, wie sehr Shakespeares Geschichte erstunken und erlogen ist – denn die beiden liebten sich dem gerade entstehenden Zeichentrick zufolge bestenfalls wie Hund und Katz –, waren in diesem Jahr eher die Ausnahme. Aber wenigstens setzt sich – neben Konzepten für einen Langfilm über fünf bereits serienbekannte Pinguine, denen wie der Zeichentrickversion rund um Comedy-Figuren „Erkan und Stefan“ jegliche Leinwandtauglichkeit fehlt – der Trend hin zu aufwendigen Produktionen fort. Bestes Beispiel dafür ist der 3D-Spass „The Living Forest“, der allerdings, trotz zweier Goya-Preise, noch auf einen deutschen Verleih wartet.

NINO KETSCHAGMADSE
OLIVER RENN