der taz-zuwanderungskalender
: Türchen auf, Türchen zu. Noch 4 Tage bis zur Abstimmung

Union verkauft Stillstand als Bewegung

Zunächst einmal: Respekt. Die Union entwickelt eine geradezu bewundernswerte Fantasie, wenn es darum geht, SPD und Grüne beim Streit um das Zuwanderungsgesetz in die Defensive zu drängen und den eigenen Stillstand als Bewegung zu verkaufen. Edmund Stoiber und Angela Merkel ergänzen sich dabei perfekt – jedenfalls besser, als es nach dem Zoff um die K-Frage zu erwarten war. Bei der Z-Frage sind sich Stoiber und Merkel einig: Nur keine Zugeständnisse in der Sache, aber es muss später so aussehen, als sei Rot-Grün selbst Schuld gewesen, wenn das Gesetz gescheitert ist.

Diese Taktik ist ebenso dreist wie durchschaubar, aber sie könnte funktionieren – dank der gütigen Mithilfe wohl gesinnte Redaktionen. Wer gestern die Sonntagszeitungen aufschlug, musste den Eindruck gewinnen, als hätte die Union kurz vor der Bundesratsabstimmung am Freitag ein neues Angebot unterbreitet, das einen Konsens möglich macht. „Stoiber und Merkel schwenken um“, titelte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und fügte hinzu: „Kompromiss bei Einwanderungsgesetz in Sicht“. Bild am Sonntag, die frühere Zeitung des wichtigsten Stoiber-Wahlkampfberaters Michael Spreng, ließ ihre Leser wissen: „Union für Kompromiss bei der Zuwanderung“. Auch die Nachrichtenagentur dpa sah daraufhin gestern „wieder Bewegung“ im Zuwanderungsstreit.

Ein Angebot, das keines ist: Wirklich angeboten haben Stoiber und Merkel am Wochenende nichts – lediglich ein Vermittlungsverfahren zwischen Bundesrat und Bundestag. Das klingt gut, weil es (scheinbar) die Bereitschaft zu neuen Verhandlungen signalisiert. Nimmt Rot-Grün dieses „Angebot“ nicht an, könnten Kanzler Schröder und Innenminister Schily als Blockierer erscheinen.

Ein echter Kompromiss ist freilich noch lange nicht in Sicht, er ist um keinen Deut wahrscheinlicher geworden. Im Gegenteil: Stoiber machte klar, eine Einigung könne es nur geben, wenn die Bundesregierung bereit sei, „ihr Gesetz im Vermittlungsausschuss grundlegend zu verändern“. Wenn sie also bereit sei, „insgesamt unseren Positionen“ zuzustimmen – also alle Unions-Forderungen zu übernehmen und aus dem Zuwanderungsgesetz ein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz zu machen. Stoiber weiß genau, dass das mit den Grünen nicht zu machen ist. SPD und Grüne lehnten ein Vermittlungsverfahren deshalb auch gestern ab.

Trotzdem könnte die Taktik der Union noch aufgehen: Falls die SPD/FDP-Regierung in Rheinland-Pfalz und die große Koalition aus Brandenburg am Freitag mitmachen, gibt es eine Mehrheit für ein Vermittlungsverfahren. Über das Zuwanderungsgesetz würde dann gar nicht mehr abgestimmt. LKW