Der kleine Prinz

Warten auf Gysi. Kommt er? Er kommt nicht. Die PDS-Ikone ist heute Senator in Berlin und hat zu viel zu tun

ROSTOCK taz ■ Gysi kommt! Diese Nachricht versetzte die Genossen wo auch immer in der großen, weiten Republik zwölf Jahre lang in Ekstase. Jetzt kommt Gysi selten. Er hat zu tun. Er ist Senator in Berlin. Seine Partei muss ohne ihn auskommen. Seine Abwesenheit macht ihn zu einer noch größeren Ikone als ohnehin. In der Partei sagen sie mittlerweile „der kleine Prinz“ zu ihm.

Die Parteitagsdelegierten in Rostock aber durften sich auf den kleinen Prinzen freuen. Sie hatten ja auch zwei Tage lang wenig Grund zum Lachen. Der Parteitag parteitagte so vor sich hin. Mal hier, mal da ein bisschen Beifall. So richtig aus dem Häuschen waren die Genossen nur ein einziges Mal. Da gab das Tagespräsidium bekannt, dass Energie Cottbus in der Bundesliga St. Pauli mit 4:0 nach Hause geschickt hat.

Gysis großer Auftritt war für Sonntagmittag geplant. Gysi wollte seinen Genossen sagen, dass es mit dem Regieren in Berlin nicht gerade einfach ist – Riesenschulden und so –, aber anders nun mal nicht geht. Ein großer Gedanke! Gysi wollte dafür extra die Sparklausur des Berliner Senats verlassen. Mit einer kleinen Cessna wollte Gysi nach Rostock fliegen. Er selber im Cockpit. Gysi hat schon seit über zehn Jahren einen Flugschein, der aber seine Gültigkeit verliert, wenn er nicht genug Flugstunden vorweisen kann.

Die Parteiführung gab am Sonntag nahezu stündlich Meldungen über das Flugwetter in der Region ab. Wolkig. Neblig. Regnerisch. Aber trotzdem, er kommt! Rostock ist schließlich nicht Kabul. Um 13 Uhr dann die Absage. Gysi kommt doch nicht! Er konnte die Sparklausur nicht rechtzeitig verlassen. Aber was noch blöder war: In Rostock lief alles so glatt, dass der Parteitag zu früh fertig war.

Gysi hätte in der leeren Halle gestanden. Allein. Wie der kleine Prinz auf dem Mond. Ein Bild für die Ewigkeit. JENS KÖNIG