Grüne mit Gewalt für den Frieden

Parteitag beschließt nach 22 Jahren mit großer Mehrheit neues Grundsatzprogramm. Erstmals lehnen die Grünen den Einsatz von Gewalt als letztes Mittel der Politik nicht mehr ab. Die PDS positioniert sich bei ihrem Parteitag als Antikriegspartei

BERLIN taz ■ Die Grünen haben eine historische Wende in ihrer Außen- und Sicherheitspolitik beschlossen. Der grüne Parteitag in Berlin nahm gestern mit großer Mehrheit das neue Grundsatzprogramm an. Darin lehnen die Grünen 22 Jahre nach ihrer Gründung erstmals Gewalt als letztes Mittel der Politik nicht mehr völlig ab. Im Kontrast dazu betonte die PDS auf ihrem Parteitag in Rostock ihre Rolle als entschiedene Antikriegspartei.

Bei den Grünen sorgte gestern vor allem eine Debatte über das Verhältnis zu den USA für Aufregung. Gegen den Willen des Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl, Joschka Fischer, schien eine Mehrheit der Delegierten zunächst einem Antrag zuzustimmen, mit dem indirekt ein Abzug der US-Truppen aus Europa gefordert wurde. Fischer warnte eindringlich vor den „isolationistischen Konsequenzen“. Auf Vorschlag von Umweltminister Jürgen Trittin wurde der Antrag schließlich entschärft. Ein „weiterer Abbau der militärischen Potenziale“ müsse Ziel der Grünen bleiben, heißt es nun.

In ihrem neuen Programm verlangen die Grünen außerdem eine Zweidrittelmehrheit des Bundestags für Auslandseinsätze der Bundeswehr. Bisher reicht im Parlament die einfache Mehrheit. Ins neue Grundsatzprogramm aufgenommen wurde auch das Ziel, die Wehrpflicht abzuschaffen. Die alte grüne Forderung nach Abschaffung der Nato wurde dagegen endgültig zu den Akten gelegt.

Fischer begründete das außen- und sicherheitspolitische Umdenken seine Partei unter anderem mit den Terrorattacken gegen die USA vom 11. September. „Es ist nicht Joschka Fischer, der euch das zumutet. Die Realität mutet euch etwas zu.“ Weil die meisten Delegierten dieser Einschätzung folgten, stünde einer weiteren Regierungsbeteiligung der Grünen nichts mehr im Wege – außer einer Wahlniederlage im September.

Auf enttäuschte Rot-Grün-Wähler spekuliert die PDS. Die Delegierten des Rostocker Parteitags beschlossen gestern das Wahlprogramm der PDS, in dem sich die Sozialisten als Oppositionspartei bezeichnen, die „dringender denn je“ gebraucht werde. Die Partei kämpfe gegen Krieg und „die Vorherrschaft des Großkapitals in Staat und Gesellschaft“. In der Außen- und Sicherheitspolitik strebt die PDS langfristig die Auflösung der Nato und die Verkleinerung der Bundeswehr auf 100.000 Soldaten an. Dem Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr erteilte die PDS erneut eine klare Absage.

Keine Absage gab es dagegen für das rot-grüne Zuwanderungsgesetz. Die PDS-Landeschefs in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin signalisierten Bereitschaft, dem Gesetz am Freitag im Bundesrat zuzustimmen, weil es gelungen sei, auf Landesebene Verbesserungen für Flüchtlinge durchzusetzen. So sollen Asylbewerber in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin mehr Bewegungsfreiheit erhalten und statt Essensgutscheinen Bargeld bekommen. LKW

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