Gewerkschaft lehnt Fusion ab

Transnet schlägt gemeinsame Holding für BVG und S-Bahn vor, unter deren Dach beide eigenständig arbeiten könnten. Zuvor müsse das Land die BVG jedoch entschulden

Die Bahngewerkschaft Transnet lehnt eine Fusion der beiden großen Berliner Verkehrsbetriebe, der BVG und der S-Bahn Berlin GmbH, ab. Das sagte Gewerkschaftschef Norbert Hansen gestern am Rande einer Betriebsrätekonferenz. Hansen sprach sich stattdessen für ein Holdingmodell aus. Unter dem Dach einer Holding könnten beide Betriebe eigenständig, aber gemeinsam arbeiten. Die S-Bahn ist eine Tochter der Deutschen Bahn AG und beschäftigt rund 4.500 Mitarbeiter. In der Gewerkschaft Transnet sind in erster Linie Eisenbahner organisiert, während die BVG-Beschäftigten von der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di vertreten werden.

Nach Ansicht der Transportgewerkschafter ist der Nutzen einer solchen Fusion für Fahrgäste und Beschäftigte nicht absehbar. Eine Fusion könne zu „Sozialdumping“ führen, fürchtet Hansen. Zudem sprächen mehrere Papiere von einer Streichung von rund 4.000 Stellen infolge einer Fusion. Bei der BVG sind rund 14.000 Mitarbeiter beschäftigt, deren Löhne sich an den vergleichsweise hohen Standards des öffentlichen Dienstes orientieren, während bei der S-Bahn weniger verdient wird.

Unter dem Dach einer Holding könnten beide Unternehmen als eigenständige Betriebe geführt werden, schlägt Hansen vor. Die BVG müsste jedoch zuvor vom Eigentümer, dem Land Berlin, entschuldet werden. Kündigungen und Sozialdumping dürfe es nicht geben. Eine Holding hat laut Hansen bessere Chancen, den Zuschlag zu erhalten, wenn die EU wie geplant 2006 die Ausschreibung kommunaler Verkehrsdienstleistungen verlangt.

Die Fusion von BVG und S-Bahn zählt zu den ehrgeizigen Projekten des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD). Er hofft, dass es die Rationalisierungen in einem fusionierten Unternehmen erleichtern, die Subventionen für die BVG – derzeit mehrere hundert Millionen Euro – zu senken. Kritiker fürchten allerdings Angebotsverschlechterungen durch eine Fusion. So kursieren Pläne, Buslinien, die mehrere Stadtteile verbinden, lediglich als Zubringer zur nächsten S- oder U-Bahn-Station einzusetzen. Häufigeres Umsteigen wäre die Folge.

SPD und PDS haben im Koalitionsvertrag beschlossen, die derzeit laufenden Fusionsgespräche zwischen den Unternehmen und dem Senat „ergebnisoffen“ zu führen. Dies sei zu schwammig, kritisierte Hansen.

Bei der BVG wird die Fusion skeptisch gesehen, die Beschäftigten haben gegen Wowereits Pläne bereits öffentlich demonstriert. Auf eine Fusion drängt vor allem die in Frankfurt sitzende Deutsche Bahn AG, weil sie damit den Sprung auf den kommunal organisierten Nahverkehrsmarkt schaffen würde. Bahnchef Hartmut Mehdorn hat kürzlich sogar versprochen, im Falle einer Fusion drei Jahre lang auf Fahrpreiserhöhungen in Berlin zu verzichten. Noch im Wahlkampf hatte der jetzige Wirtschaftssenator Gregor Gysi (PDS) kritisiert, über die Berliner Nahverkehrspolitik dürfe nicht in einer Frankfurter Konzernzentrale entschieden werden.

RICHARD ROTHER