Blüten in der Statistik

Was hat der 11. September mit einem Anstieg der Straftaten in Berlin zu tun? Nichts, meint Innensenator Ehrhart Körting und verweist auf die neueste Polizeiliche Kriminalitätsstatistik

von PLUTONIA PLARRE

Auch wenn es die CDU und eine gewisse Boulevardzeitung aus der Kochstraße gern hätten: Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2001 eignet sich weder für Angstkampagnen noch für eine Stimmungsmache gegen den rot-roten Senat. Mit einer Zunahme um 2,7 Prozent sind die in Berlin von der Polizei erfassten Straftaten im Vergleich zu 2000 zwar leicht gestiegen. Die Aufklärungsquote hat mit einer Zunahme von 0,1 Prozent auf nunmehr 49,8 Prozent aber den höchsten Wert seit 33 Jahren erreicht.

Die Zunahme der Taten sei nicht erfreulich, aber „es ist auch keine Katastrophe für die Stadt“, sagte Innensenator Ehrhart Körting (SPD), der die Statistik gestern im parlamentarischen Innenausschuss offiziell vorstellte. Die steigende Tendenz habe sich schon vor dem Regierungswechsel abgezeichnet, verwahrte sich Körting gegen Annahmen, die veränderte Senatskonstellation habe die Kriminalitätsentwicklung beschleunigt.

Unter der Überschrift „Diese Zahlen machen Angst“ hatte die B.Z. in der vergangenen Woche verbreitet, die Kriminalität in Berlin sei um 5,9 Prozent gestiegen sei. Vor allem nach dem 11. September sei die Anzahl von Straftaten auf den Straßen regelrecht explodiert. Andere Medien hatten nachgezogen. Der Senator konnte sich ein Lächeln der Genugtuung nicht verkneifen, als er feststellte, Teile der Presse seien wohl falschen Zahlenangaben aufgesessen.

Laut dem amtierenden Polizeipräsidenten Gerd Neubeck, der die Statistik im Einzelnen vorstellte, hat die Polizei im Vorjahr 572.272 Straftaten registriert. Im Städtevergleich stehe Berlin mindestens so gut da wie Hamburg und München. Exorbitante Zuwächse hat die Polizei vor allem bei der Computerkriminalität (plus 61,1 Prozent) und Geld- und Wertzeichenfälschung (plus 106,4 Prozent) verzeichnet. Letztere sei auf die Einführung des Euros zurückzuführen. Mit „aller Macht“ sei vor der Währungsumstellung versucht worden, noch D-Mark-Falschgeld in Verkehr zu bringen. Auch 50 Verdachtsanzeigen im Zusammenhang mit Geldwäsche seien registriert worden.

Deutlich häufiger angezeigt wurden auch Vergewaltigungen (plus 20,7), Sachbeschädigungen (plus 9,3) und Körperverletzung (plus 6,0). Erstmals gesondert als Deliktform in der Statistik ausgewiesen ist die häusliche Gewalt, „ein Dunkelfeld“, so Neubeck, „das seit Jahrhunderten angewachsen ist“ und dessen Verfolgung sich die Polizei nunmehr mit Nachdruck widmet.

In keiner Weise bestätigt haben sich laut Neubeck „Spekulationen“, wonach der Anschlag in den USA vom 11. September zu einem Anstieg der Straßenkriminalität geführt habe. Im Gegenteil. Exakt zwei Wochen nach dem 11. September sei ein deutlicher Rückgang der Gesamtzahl der Taten verzeichnet worden. Das sei wohl auf die hohe Polizeipräsenz auf den Straßen zurückzuführen. Um so verbreiterter sei dafür die Unsitte gewesen, falschen Alarm wegen Milzbrandverdachts zu schlagen. Von 314 Fällen sei zum Glück keiner echt gewesen. 16 Tatverdächtige seien ermittelt worden.

Der innenpolitische Sprecher der CDU, Roland Gewalt, nahm die Steigerungsrate von 2,7 Prozent zum Anlass, um über die Streichung des Freiwilligen Polizeidienstes und von 500 Vollzugsstellen zu lamentieren.

Als Antwort darauf erntete er nur Spott. Die CDU „holt mal wieder ihre Dauerlutscher raus“, konstatierte der innenpolitische Sprecher der Grünen, Wolfgang Wieland, trocken. Der Kriminalitätsanstieg, so Wieland, „schreit nicht nach mehr Polizei, sondern nach modernen inhaltlichen Konzepten und Prävention“. Von Innensenator Körting gar bekam Gewalt den Rat, am besten gleich den „Abriss von Hochhäusern“ und „die Ansiedlung von Bauernhöfen“ zu fordern.